Hallo wach! Wie es uns gelingt, mit der Zeit zu leben. Teil 1: Mehr Licht!

Woher weiß der Körper, wie viel Uhr es ist? Wie hilft die innere Uhr beim Ein- und Durchschlafen? Und was hat das mit Licht zu tun? Erster Teil der RiffReporter-Serie über eine neue Zeitkultur.

20 Minuten
Ein Wald im Gegenlicht. Das Licht der Sonne wird durch die Baumstämme geteilt und wirft ein schönes Strahlenmuster.

Warum wir im Urlaub so gut schlafen

Wieder so ein wunderbarer Ferientag! Morgens ohne Wecker ausgeschlafen aus den Federn gekommen – gutes Frühstück – zwei Stunden auf dem Tennisplatz gerannt – dann ein paar Seiten gelesen – leichtes Mittagessen – Spaziergang zum Strand – etwas geschwommen – gesonnt und noch ein bisschen gelesen – dann zurück zum Hotel – leckeres Abendessen – schließlich zwei Stündchen auf der Terrasse gesessen – und dann? Todmüde gleich ins Bett gegangen und perfekt geschlafen. Wie ein Kind. Herrlich!

Es ist eine verbreitete Erfahrung: In den Ferien schlafen wir besser. Wir werden früher müde, schlafen tiefer, liegen nachts seltener wach und sind morgens früher fit. Als mögliche Ursachen nennen Urlaubende spontan den fehlenden Berufsstress oder die Bewegung an der frischen Luft. Beides trägt sicher zur Erklärung bei.

Doch es gibt noch eine dritte Ursache, an die selten gedacht wird. Dabei ist gerade sie wissenschaftlich besonders gut belegt: Die Menge an Tageslicht, der wir uns im Urlaub aussetzen, verstärkt und stabilisiert unsere innere Zeitmessung. Sie macht uns tags wacher, abends früher müde, lässt uns nachts tiefer schlafen und weckt uns morgens zeitiger auf.

Neue Art von Lichtsinn

Um diese Zusammenhänge zu verstehen, muss man wissen, was Forschende erst in den letzten Jahren herausfanden: wie die Billionen inneren Uhren des Körpers sich mit der Außenwelt synchronisieren. Den Höhepunkt bildet dabei eine Reihe von Entdeckungen aus dem Jahr 2002.

In einem regelrechten Forschungsrausch publizierten damals binnen weniger Monate einige Teams von Wissenschaftlerïnnen aus der ganzen Welt, was das führende Fachblatt Science zu einem der wichtigsten Resultate des Jahres kürte: Die Studien belegen die Existenz einer neuen Gruppe von Lichtsensoren in der menschlichen Netzhaut. Diese heißen Melanopsin-Zellen, da sie eben dieses Pigment enthalten – oder ganz exakt: intrinsisch photosensitive retinale Ganglien-Zellen (ipRGCs).

Ein junger Geschäftsmann im grauen Anzug hat eine Aktentasche umhängen und fährt auf einem schwarzen Fahrrad.
Eine der einfachsten Methoden, den Biorhyhmus zu stärken, ist die regelmäßige Lichtdusche auf dem Weg von und zur Arbeit. Wer das Fahrrad nimmt und die Sonnenbrille weglässt zeigt seiner inneren Uhr, dass sie richtig tickt.
Grafik einer Frau, die auf einer Straße der Sonne entgegen joggt.
Lichtduschen am Morgen und am Vormittag, idealerweise gepaart mit körperlicher Aktivität, stellen unsere inneren Uhren vor. Das erleichtert abends das Einschlafen und am nächsten Morgen das Aufstehen.
Drei Schulkinder in einem Klassenzimmer, einer davon schlafend
Wenn die Schule morgens um acht beginnt, ist das für die meisten Lernenden zu früh. Hellere Beleuchtung im Klassenzimmer könnte wenigstens etwas helfen.
Eine sympathische ältere Dame mit grauen Haaren steht auf einem Balkon und lächelt in die Kamera.
Anna Wirz-Justice ist gebürtige Neuseeländerin und lebt in der Schweiz. Die emeritierte Professorin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel zählt zu den bekanntesten Chronobiologinnen.

Sie möchten mehr über die neue Zeitkultur erfahren?

Weiter lesen Sie im zweiten Teil der Serie (erscheint am 21. Februar):

Teil 2: Mehr Dunkelheit!

Nicht nur helles Licht am Tag hilft unserer inneren Uhr und sorgt für tiefen, erholsamen Schlaf. Auch Dunkelheit am Abend und in der Nacht ist wichtig. Denn Leben ist Rhythmus.

Eine Einführung ins Thema samt der Übersicht über alle Beiträge finden Sie im Prolog.

Alle Beiträge dieser Serie erschienen erstmals im Buch „Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft“. Sie wurden jetzt überarbeitet und aktualisiert.

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