Um die Corona-Pandemie einzudämmen, brauchen wir mehr – mehr Impfdosen und mehr Impfstoffe

Der Impferfolg wird abhängen von der Wirksamkeit, Akzeptanz und Verfügbarkeit verschiedener Vakzine. Was wir für 2021 erwarten können.

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Grün angefärbte, runde Viruspartikel in einem medizinischen Präparat. Sars-CoV-2 mit einem Elektronenmikroskop stark vergrößert.

Edith Kwoizalla, 101 Jahre alt und Bewohnerin eines Seniorenheims in Halberstadt, wird am 27. Dezember als Erste in Deutschland gegen das neue Coronavirus geimpft. Zuvor war der RNA-Impfstoff BNT162b2 nach der Freigabe in Großbritannien, den USA und Kanada, auch in der EU zugelassen worden.

Der Impfstart, ein psychologischer Meilenstein

Dass schon jetzt, kaum ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie, ein Impfstoff zur Verfügung stehe, sei einerseits so etwas wie ein medizinisches Wunder, kommentiert der US-amerikanische Journalist Todd Purdum. Andererseits sei der Impfstart ein gefährlicher psychologischer Meilenstein. Denn wir befänden uns nicht am Anfang vom Ende, sondern eher am Ende vom Anfang der Pandemie. Bilder von freudig bewegten Menschen, die vor laufender Kamera ihren Piks bekommen, dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aktuell täglich noch weit mehr neue Infektionsfälle gäbe, als Impfstoffdosen zur Verfügung stünden, schreibt Purdum auf der Medizin-Webseite STAT.

Das Licht am Ende des Tunnels sei zu sehen. Wenn wir uns jedoch blenden ließen im Taumel einer Impfstoff-Euphorie, bestehe die Gefahr, dass „wir übersehen, wie lang und wie gefährlich der Tunnel ist“, zitiert Purdum Peter Sands, den Executive Director des Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria.

Bis weit ins nächste Jahr hinein stünden die Impfstoffe noch nicht in großem Umfang zur Verfügung und es würden noch viele Menschen sterben. Händewaschen, Mund-Nasen-Schutz und das Social Distancing würden weiter zum Leben gehören. Bis zum Ende der Pandemie müssten noch viele Hunderte Schritte gegangen werden, schreibt Todd Purdum.

„Wir befinden uns eher am Ende des Anfangs als am Anfang des Endes der Pandemie.“ (Todd Purdum)

Angesichts der Dimensionen, mit denen wir es bei dieser Corona-Pandemie zu tun haben, wird es wichtig sein, nicht nur einen Impfstoff, nicht nur ein Impfkonzept, sondern mehrere, verschiedene zur Verfügung zu haben.

Einmaliges Tempo und einmalige Zusammenarbeit

„Es ist sehr gesund, wenn wir mehrere Impfstoffe haben“, sagte der Infektiologe Peter Kremsner vom Universitätsklinikum Tübingen gegenüber dem Science Media Center. Er hoffe, dass man mindestens 10 oder 20 verschiedene Impfstoffe bis Mitte 2021 hinbekommen werde. Ganz so viele werden es wohl nicht werden. Aber niemals zuvor hätten ForscherInnen so schnell, so viele experimentelle Impfstoffe gegen den gleichen „Gegner“ entwickelt, schreibt der Journalist Jon Cohen im Fachmagazin „Science“, das die Impfstoff-Entwicklung gegen Covid-19 als „Breakthrough of the Year 2020“ auszeichnete. Niemals zuvor hätten Konkurrenten so offen und häufig zusammengearbeitet und niemals zuvor hätten es so viele Kandidaten parallel in große klinische Wirksamkeitsstudien geschafft, so Cohen.

„Es ist sehr gesund, wenn wir mehrere Impfstoffe haben.“ (Peter Kremsner)

Arne Kroidl, Infektiologe und Experte für Impfstudien am Institut für Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität in München geht davon aus, dass es zukünftig für verschiedene Bevölkerungsgruppen verschiedene Impfstoffe geben könnte. „Möglicherweise könnten RNA-Impfstoffe besonders bei Älteren zum Einsatz kommen, wo es gilt, eine schwere Covid-Erkrankung zu verhindern.“ Bei Kindern hingegen, wo es hauptsächlich darum gehe, eine Ausbreitung des Virus zu stoppen, könnten Konzepte, die schon lange in der Klinik erprobt sind, wie etwa Protein- oder Vektorimpfstoffe eine gute Alternative sein.

Welche Impfstoffe stehen außer dem Biontech/Pfizer RNA-Impfstoff bald zur Verfügung? Wie funktionieren sie, was sind die Vorteile, was die Nachteile?

I. Andere RNA-Impfstoffe (Moderna, CureVac)

Am 19. Dezember erhielt der RNA-Impfstoff der US-Firma Moderna in den USA eine Notfallzulassung. Für Anfang Januar rechnen Experten mit einer Zulassung in der EU. Der Moderna-Impfstoff funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie derjenige von Biontech. Die Wirksamkeit – der Schutz vor einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung – liegt nach bisherigen Daten ebenfalls bei fast 95 Prozent, das Nebenwirkungsprofil ist ähnlich.

Als häufigste Impfreaktion treten Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen und in manchen Fällen auch Fieber auf. Alles Anzeichen dafür, dass die Immunabwehr der Geimpften „anspringt“. Seit Beginn der Impfungen mit dem Biontech-Impfstoff habe es bei einer Handvoll an Menschen eine (schwere) allergische Reaktion auf die Impfung gegeben, schreibt die Wissenschaftsjournalistin Helen Branswell. Die Betroffenen erholten sich allesamt wieder gut. Möglicherweise reagiert das Immunsystem einiger empfindlicher Menschen auf einen Bestandteil im Impfstoff. Immunologen vermuten, dass es sich dabei um den Stoff „Polyethylenglykol“ handeln könnte, das als verstecktes Allergen gilt und beispielsweise in vielen Kosmetikprodukten enthalten ist.

Im Dezember startete in Europa und Lateinamerika eine klinische Phase-3-Studie mit einem weiteren RNA-Impfstoff. Dabei sollen rund 35.000 Menschen ab 18 Jahre im Abstand von vier Wochen zweimal entweder den Impfstoff CVnCoV der Tübinger Firma CureVac oder ein Placebo erhalten. Die Vakzine enthält die Bauanleitung (mRNA) für das äußere Spike-Protein von Sars-Cov-2. In Vortests hatte sich eine Dosis von 12 µg als optimal herausgestellt, um eine ausreichende Aktivierung der Antikörper- und T-Zell-Antwort bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu erreichen. (Bei dem Moderna-Impfstoff werden je Dosis 100 µg RNA verimpft, bei der Biontech-Vakzine sind es 30 µg.)

Nach Angaben des Herstellers ermögliche die Verwendung von „natürlicher“, nicht modifizierter RNA, dass (im Gegensatz zu den Konkurrenzprodukten von Biontech/Pfizer und Moderna) bereits mit niedrigen Dosisstärken eine ausreichende Immunantwort ausgelöst werden könne. Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Biontech/Pfizer Impfstoff, der bei minus 70 Grad Celsius aufbewahrt werden muss: die Vakzine hält sich im Kühlschrank bei Temperaturen von 5 Grad Celsius mindestens drei Monate lang.

II. Impfstoffe, die abgeschwächte Adenoviren als Überträger nutzen

Auch die zweite Gruppe von Impfstoffen, die kurz vor der Zulassung stehen bzw. in einigen Ländern schon geimpft werden, bedient sich einer eher neuen Technologie und unterscheidet sich von den klassischen Impfkonzepten mit abgeschwächtem Lebendvirus (Mumps, Masern, Röteln), abgetötetem Virus (Polio) oder der Impfung einzelner Bestandteile eines Krankheitserregers (Hepatitis B).

Genutzt werden entweder Adenoviren, die beim Menschen eine harmlose Erkältung verursachen oder ein Adenovirus, das Schimpansen infiziert. Diese Viren sind für den Zweck der Impfung verändert worden. Sie können sich nicht mehr vermehren, weil ein wichtiges Virus-Gen entfernt wurde. Außerdem tragen sie nun den genetischen Bauplan für das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Nach der Infektion des Impfstoffes in den Muskel, gelangen die als Genkuriere umfunktionierten Adenoviren, die Vektoren, zwar noch in die menschlichen Zellen hinein.

Sie regen an, dass diese (ähnlich wie die RNA-Impfstoffe) das Spike-Protein des Virus produzieren, die Immunabwehr alarmieren und eine Immunantwort gegen das Spike-Protein in Gang bringen. Nach der Ausführung dieses Auftrages verschwinden die Genkuriere jedoch rasch. Unklar ist, inwieweit der Impferfolg leidet, wenn Menschen bereits vorher in ihrem Leben Kontakt zu den Adenoviren hatten (zum Beispiel eine durch diese Viren verursachte Erkältung durchgemacht haben). Wenn die Immunabwehr bereits sensibilisiert ist, könnte sie die Impfviren unschädlich machen, bevor diese ihre Fracht in die Körperzellen hineingetragen haben.

Bisher ist in Europa seit Juli 2020 ein Ebola-Impfstoff zugelassen, der auf diesem Prinzip basiert. Impfstoffe gegen HIV, RSV und das Zika-Virus befinden sich noch in der Entwicklung. Und nun versuchen die mit der Technologie vertrauten Firmen, auch gegen das Coronavirus erfolgreich zu sein. Drei Beispiele.

A. Die Vorteile des russischen Vektorimpfstoffs Sputnik V

Die europäische Arzneimittelagentur zählt den Impfstoff des russischen Gamaleya Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie zwar nicht zu den aussichtsreichen Impfstoffen, weil der Behörde bisher wichtige Testdaten fehlten. Der Gedanke, dass Russen oder Chinesen nicht so gut in der Entwicklung wirksamer Impfstoffe wären, sei allerdings reiner Impfstoff-Nationalismus, sagt Naor Bar-Zeev, Epidemiologe an der Johns-Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore. „Es gibt keinen Grund zu denken, dass deren Impfstoffe nicht funktionieren würden“, so Bar-Zeev in der „Washington Post“. Aber bisher hätte man eben noch keine Phase-3-Daten.

Nach Angaben des Herstellers seien inzwischen rund 20.000 Menschen mit einer zweifachen Dosis in einer klinischen Phase-3-Studie geimpft worden. Der Impfstoff nutzt die beiden humanen Adenoviren Ad5 und Ad26 als Überbringer für das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Die erste Impfung erfolgt mit Ad26 in den Muskel, die zweite drei Wochen später mit Ad5. Im September hatten die russischen Forscher Daten zur Sicherheit und Immunogenität von Sputnik V im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht. Danach löst die Impfung eine gute Antikörper-Antwort und zelluläre Immunität aus. Der Impfstoff sei sicher, als Impfreaktion seien bei bis zur Hälfte der Geimpften leichtes Fieber sowie Kopfschmerzen aufgetreten, ein Viertel der Geimpften fühlte sich vorübergehend schwach und weniger als jeder Fünfte bekam Muskelschmerzen. Laut Washington Post stehen die Entwickler von Sputnik V wegen einer Nutzung in Verhandlung mit der französischen Firma Sanofi und dem britischen Pharmaunternehmen GSK.

B. Der Vektorimpfstoff ChAdOx1-nCoV-19 (AZD 1222) ist in Großbritannien zugelassen

Hinter diesem Zungenbrecher steckt eine Vakzine, die ForscherInnen der University of Oxford zusammen mit der Firma AstraZeneca in Cambridge entwickelt haben. Die Kommunikation erster Ergebnisse der Phase-3-Studie, bei der zwischen April und November 2020 insgesamt über 23.000 Personen eingeschlossen waren, lief unglücklich, was dem Impfstoff einen Vertrauensverlust einbrachte. Aus Versehen war ein Teil der Studiengruppe bei der ersten der insgesamt zwei notwendigen Impfungen mit der halben Dosis geimpft worden.

Erstaunlicherweise war der Impferfolg in dieser Gruppe am höchsten: 3 von 1367 Geimpften erkrankten hier an Covid-19, dagegen 30 von 1374, die als Kontrollgruppe einen Meningokokken-Impfstoff erhalten hatten. Das entspricht einer Wirksamkeit von 90%. Die Probanden, die dagegen die regulären zwei Dosen (je 5 × 10 hoch 10 Viren) geimpft bekamen, erkrankten häufiger. Die Wirksamkeit lag bei 62%: 27 von 4440 in der Corona-Impfgruppe erkrankten an Covid-19, 71 von 4455 Personen in der Kontrollgruppe.

Bei der Vorstellung der Studienergebnisse hatten die Hersteller in der Pressemitteilung die beiden Studienarme einfach zusammengezogen und (obwohl nicht vergleichbar) aus 62% beziehungsweise 90% Wirksamkeit insgesamt einen Schutzeffekt von 70% errechnet. Insgesamt zeigten die Daten aber, dass der Impfstoff funktioniert, sagt der Virologe Stephen Griffin von der University of Leeds. „Die Wirksamkeit und Sicherheit sind gut.“ Als bisher einziges Team nennen die Briten auch Zahlen dazu, ob der Impfstoff eine Infektion verhindern kann – für die RNA-Impfstoffe gibt es hierzu bisher keine Angaben. Bei dem Niedrig-Dosis-Ansatz habe sich gezeigt, dass die Impfung auch Infektionen ohne Symptome um 60% verringern könne.

Insgesamt erkrankten im Rahmen der Studie allerdings drei der Teilnehmer an einer entzündlichen Erkrankung des Rückenmarks, einer transversen Myelitis, die sonst sehr selten ist und gelegentlich im Zusammenhang mit Virusinfektionen auftreten kann. Zwei Fälle gab es hier bei den Personen, die den Vektorimpfstoff gegen Sars-CoV-2 erhalten hatten, einen Fall in der Kontrollgruppe, die mit der Meningokokken-Vakzine immunisiert worden war. Ein unabhängiges Expertengremium geht davon aus, das diese Ereignisse nicht in Zusammenhang mit der Impfung stehen. Ein Fall zum Beispiel trat bei einer Person auf, die (unerkannt) bereits vor der Studie an Multipler Sklerose erkrankt war.

Vorteile: Kosten und Kühlung

Diese Vakzine hat einige Vorteile. Sie ist günstiger (2 Euro je Dosis, RNA-Impfstoffe kosten je Dosis mehr als 10 Euro) und robuster, daher ist eine unkompliziertere Verteilung (ohne aufwändige starke Kühlung wie bei den RNA-Impfstoffen) möglich. Ein weiterer Pluspunkt: Der Impfstoff löst eine gute Antikörper-Antwort aus, sogar IgA-Antikörper gegen das Virus tauchen nach der Impfung auf den Schleimhäuten auf, die eine Infektion direkt an der Eintrittspforte blockieren können. Die Impfung „dirigiert“ die Immunantwort in eine bestimmte Richtung (schwerpunktmäßig werden eine Untergruppe der T-Zellen, die „TH1“ aktiviert), wodurch das Risiko sinkt, dass infolge der Impfung Antikörper gebildet werden, die die Infektion nicht blockieren, sondern verstärken. Genau dieses Problem war in tierexperimentellen Studien bei der Suche nach Sars- oder Mers-Impfstoffen vor einigen Jahren aufgetreten.

Dieser Impfstoff könne zwar einer der am leichtesten anwendbaren und günstigsten Impfstoffe sein, kommentiert Wissenschaftsjournalistin Heidi Ledford im Magazin „Nature“. Zuvor jedoch müssten noch einige wichtige Fragen beantwortet werden. Unklar sei zum Beispiel, wie wirksam diese Vakzine bei älteren Menschen sei. In der Studie waren hauptsächlich Männer und Frauen zwischen 18 und 55 eingeschlossen. Außerdem muss geklärt werden, warum die Wirksamkeit scheinbar höher ist, wenn zunächst mit einer niedrigeren Dosis begonnen wird. In Großbritannien erhielt der Impfstoff AZD 1222 am 30. Dezember 2020 eine Notfallzulassung, ab dem 4. Januar 2021 soll damit geimpft werden.

C. Der Vektorimpfstoff Ad26.COV2.S muss nur einmal geimpft werden

Der Impfstoff der Firma Janssen nutzt ebenfalls ein Adenovirus, Ad26, um die genetische Information des Corona-Spike Proteins in die Zellen zu tragen und die Immunabwehr dagegen aufzubringen. Die EMA begutachtet diesen Corona-Impfstoff seit dem 1. Dezember im so genannten „Rolling-Review“-Verfahren, bei dem der Impfstoff laufend beurteilt wird, bevor alle Daten beisammen sind, um das Zulassungsprozedere zu beschleunigen. In den Vorstudien hatte der Impfstoff eine gute Antikörper-Antwort ausgelöst. Die genutzte Impfstoff-Plattform habe ein erprobtes Sicherheitsprofil, betont Roland Zahn, Wissenschaftler bei der Herstellerfirma Janssen (Johnson & Johnson) gegenüber der „Pharmazeutischen Zeitung“. „Mehr als 90.000 Menschen haben bereits eine Ad26-Verktor-basierte Impfung im Rahmen unserer klinischen Studien und Initiativen zur Immunisierung erhalten (darunter der seit Mitte des Jahres in der EU zugelassene Ebola-Impfstoff). Unerwünschte Ereignisse waren meist mild bis moderat, traten kurz nach der Impfung auf und waren von kurzer Dauer.“

Eine Phase-3-Studie läuft seit dem 17. Dezember hauptsächlich in Ländern Südamerikas, in Südafrika und den USA. Erste Zwischenergebnisse werden für Ende Januar erwartet. Der Impfstoff ist aus mindestens zwei Gründen interessant: Er bleibt mindestens drei Monate bei zwei bis acht Grad Celsius stabil. Außerdem ist er einer der wenigen Kandidaten, bei dem es offensichtlich für eine gute Immunreaktion ausreicht, einmalig zu impfen – was für die Umsetzung von großen Impfkampagnen ein enormer Vorteil wäre.

III. Der Klassiker: abgetötete, inaktivierte Viren

Die Impfstoffkandidaten einiger chinesischer Firmen wie SinoVac enthalten inaktivierte Sars-CoV-2 Viren und funktionieren daher wie bewährte Vakzinen etwa gegen Kinderlähmung oder die Influenza-Grippe. Die ForscherInnen am Beijing Institute of Biological Products Company vermehren Sars-Cov-2, die zuvor aus Patienten isoliert worden waren, in so genannten Vero-Zellen (Zell-Linie Nierenzellen der Grünen Meerkatze, die von der WHO für die Produktion von Impfstoffen – Polio, Tollwut -zugelassen ist). Die Viren werden nach der Massenproduktion im Bioreaktor mit Chemikalien inaktiviert, dann mit Wirkverstärker ergänzt (Aluminiumhydroxid) und zweimal im Abstand von bis vier Wochen geimpft.

Bei Vorstudien in Affen, hatten alle geimpften Tiere neutralisierende Antikörper gebildet, kein Tier zeigte eine Antikörper-bedingte Verstärkung der Infektion. Phase 1– und 2-Studien am Menschen zeigen, dass der Impfstoff eine gute Antikörper-Antwort im menschlichen Körper bei „normalen“ Impfreaktionen (Fieber, Mattigkeit, Schmerzen, Schwellung an Einstichstelle) auslöst. Eine Phase-3-Studie läuft.

Die chinesische Firma Sinovac erreicht bei über 97% ihrer Probanden in einer Studie mit 600 Personen (besonders bei Jüngeren unter 39 Jahren) nach zweimaliger Impfung mit dem inaktivierten Virus eine gute Antikörper-Antwort. Die Nebenwirkungen waren akzeptabel. Eine Phase-3-Studie zur Wirksamkeit, dem Schutz vor Covid-19 und der Ansteckung mit Sars-CoV-2, ist in Indonesien, der Türkei und Brasilien gestartet.

In der chinesischen Armee wird bereits mit dieser Vakzine geimpft. China hat Ländern in Südost-Asien und in Afrika eine Versorgung mit CoronaVac von SinoVac bereits zugesagt. Diese Vakzine scheint eine Alternative zu sein vor allem für Länder, in denen (teure) Kühloptionen nicht verfügbar sind. Die Firma Sinopharm, die ebenfalls mit abgetöteten Viren impft, gibt an, mit ihrem Produkt bei 79% der Geimpften eine Covid-19-Erkrankung verhindern zu können.

IV. Impfen mit einzelnen Virus-Proteinen – Subunit-Vakzine

Der Impfstoff der Firmen Sanofi/GSK, der einzelne, in Insektenzellen hergestellte, Sars-CoV-2 Proteine enthält, hat vor allem bei älteren Menschen bisher enttäuschende Ergebnisse erzielt. Etwas erfolgreicher ist NVX-CoV2373 der Firma Novavax, ein gentechnisch hergestelltes Spike-Protein, das mit einem Wirkverstärker (Matrix M) kombiniert wird. Ohne diesen Wirkverstärker wird keine Immunreaktion ausgelöst. Zusammen mit dem Adjuvanz, einer Kombination aus Quillaja Saponinen (Stoffe aus dem Seifenrindenbaum) und Lipiden, ist der Antikörper-Pegel nach der zweiten Impfung hoch. Auch T-Zellen werden aktiviert, die „guten“ TH1, die eine Antikörper-abhängige Verstärkung eher unwahrscheinlich macht. Das „Deutsche Ärzteblatt“ meldet am 18. Dezember, dass die EU-Kommission mit dem US-Unternehmen Novavax über den Kauf von 100 Millionen Dosen Coronaimpfstoff verhandelt.

Wie wird es weitergehen, welche Impfstoffe werden sich durchsetzen?

Welche Impfstoffe sich am Ende bei der Bekämpfung der Pandemie durchsetzen werden, wird von vielen verschiedenen Faktoren abhängen. Wichtig wird zum Beispiel sein, wie stark eine Impfung schützt, auch wenn sich das Virus durch Mutationen verändert, wie jetzt die in England aufgetretene B.1.1.7-Variante. Falls der Schutz wegen der Mutationen nachlässt, wird entscheidend sein, wie schnell die Hersteller ihr Produkt an ein sich wandelndes Virus anpassen können. Erfolgreich werden zudem die Impfstoffe sein, die nicht nur eine Erkrankung, sondern auch eine Ansteckung verhindern können und die einen lang anhaltenden Schutz auslösen. Solange wir nicht wissen, ob eine Vakzine vor einer Ansteckung und einer Weitergabe an andere schützt, müssen alle Sicherheitsmaßnahmen (Abstand, Maske, Hygiene usw.) weiter eingehalten werden. Attraktiv sind außerdem die Vakzine, die nur einmal geimpft werden müssen und dennoch ein akzeptables Ergebnis erzielen.

Die Durchschlagskraft der Impfungen wird stärker von der Akzeptanz in der Bevölkerung abhängen, als davon, ob die Wirksamkeit nun bei 70, 80 oder 95% liege, schreibt die „WHO Ad Hoc Expert Group on the Next Steps for Covid-19 Vaccine Evaluation“ im Fachmagazin NEJM. Außerdem könnte ein Impfstoff mit 70%iger Wirksamkeit, der nur einmal geimpft werden muss, wertvoller sein, als ein Konzept mit zwei Impfungen, die zudem in der Umsetzung herausfordernder sind.

Ein Problem könnte die benötigte Impfstoff-Vielfalt jedoch einschränken: Sobald ein oder mehrere wirksame® Impfstoff(e) auf dem Markt sind (ist), kann es für Folgeprodukte schwer sein, sich in Studien überhaupt noch beweisen zu können. Aus ethischen Gründen sind dann Untersuchungen zur Wirksamkeit und Sicherheit, bei denen die Menschen in der Placebo-Gruppe keinen Impfstoff erhalten, kaum noch zu verantworten.

Quellen:

Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden über die Riff freie Medien gGmbH aus Mitteln der Klaus Tschira Stiftung gefördert.

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