„Fühlen heißt nicht, sich irrational zu verhalten.“

Mit mehr Empathie gegen den Klimawandel: Interview mit dem Bestsellerautor, Arzt und Psychotherapeuten Joachim Bauer über sein neuestes Buch

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Der Autor, Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut Joachim Bauer sitzt auf einer Treppe in Berlin.

Joachim Bauer sorgt sich um das Überleben von Mensch und Natur. Er sucht die Gründe unserer „ökologischen Trägheit“ und fordert mehr Empathie für die Natur: „Nur wenn die prekäre ökologische Lage unseres Planeten nicht nur unsere Vernunft, sondern auch unsere Gefühle erreicht, werden wir das Momentum und die Energie gewinnen, unsere Lebensweise zu ändern.“

„Empathie für die Natur“, da können super abgeklärte Rationalisten nur lächeln, oder?

Schon in seinem 2005 erschienenen Bestseller „Warum ich fühle, was du fühlst“ ging es Joachim Bauer um Empathie. Damals beschrieb der Freiburger Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut, wie uns so genannte Spiegelneuronen beim Einfühlen helfen. Es folgten viel beachtete Werke etwa über Genregulation, Pädagogik, Aggression, Kooperation als Naturprinzip oder die Bedeutung der Resonanz für die Psychologie. Nun richtet der mittlerweile emeritierte und in Berlin lebende Professor seinen Blick nach vorne und kehrt zugleich zu den Wurzeln zurück: Im neuen Buch „Fühlen, was die Welt fühlt“ erklärt er, warum und wie wir Menschen unser einzigartiges Empathie-Vermögen zur Rettung von Menschheit und Natur einsetzen sollten. Für Erbe&Umwelt habe ich mich ausführlich mit ihm unterhalten.

Peter Spork: In Ihrem lesenswerten neuen Buch schreiben Sie, die Corona-Pandemie sei auch „eine Art Stress-Test“ für moderne Gesellschaften. Sie sei wie ein „Warnschuss der Natur in Richtung Mensch, dessen Botschaft gedeutet werden muss“. Was lernen wir aus der Corona-Krise?

Joachim Bauer: Entscheidend für das Durchstehen einer Krise ist der innere Zusammenhalt eines Landes, also das, was ich als gesamtgesellschaftliches Empathie-Potenzial bezeichnet habe. Länder mit halbwegs gutem sozialen Zusammenhalt, wie wir ihn in Deutschland und einigen weiteren Ländern haben, haben die Corona-Krise – jedenfalls bisher – in der Regel besser gemeistert als Länder mit einem hohen Maß an innerer Spaltung, wie etwa die Vereinigten Staaten oder Brasilien. Mein Buch geht der Frage nach, welche Faktoren dazu beitragen, dass eine Gesellschaft entweder solidarisch zusammenhält oder aber, dass sie starke Spaltungen ausweist. Diese Fragen sind dringend, denn die Corona-Krise war nicht die erste und wird nicht die letzte derartige Katastrophe sein – vor allem dann, wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen.

Nun geht es in Ihrem Buch vor allem um unsere gestörte Beziehung zur Umwelt im Allgemeinen. Es geht um „die Bedeutung der Empathie für das Überleben von Menschheit und Natur“. Hilft uns die Corona-Krise vielleicht sogar dabei, die Natur wieder besser zu verstehen?

Das wäre erfreulich. An der Corona-Pandemie ist leider nichts Gutes, sie gefährdet Menschenleben. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Infektion getroffen werden mussten, eine schwere Belastung für das gute soziale Zusammenleben bedeuten. Depressionen haben stark zugenommen. So verheerend sie ist, so kann uns die Pandemie aber auch lehren, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Wir spüren jetzt sehr deutlich, dass es nicht Konsum und ständige Hetze sind, die unser Leben lebenswert machen, sondern Gemeinschaft, gegenseitige Hilfeleistung und Empathie. Die Corona-Pandemie ist übrigens eine der vielen negativen Folgen der Naturzerstörung, vor allem der Waldvernichtung. Je mehr wir Menschen in die Lebensräume der Tierwelt eindringen, umso höher wird das Risiko, dass krank machende Erreger vom Tierreich auf den Menschen überspringen.

Aber wie kann ich mich als Individuum in einen Wald oder einen Gletscher einfühlen? Und wie kann ich das als ganze Gesellschaft tun? 

„Empathie für die Natur“, da können super abgeklärte Rationalisten nur lächeln, oder? Der große Charles Darwin schreibt in seiner Biografie, dass „gehobene Gefühle des Staunens, der Bewunderung und der Andacht“ ihn ergriffen hätten, als er „inmitten eines brasilianischen Waldes“ stand. So etwas Dummes könnte uns Zynikern heute nicht mehr passieren, oder? Genau das ist aber unser Problem.

Wir befinden uns mit der Natur aber in einer Beziehung, ob uns das passt oder nicht.

Die Natur ist kein höheres Wesen

Buchcover: Joachim Bauer: Fühlen was die Welt fühlt. Die Bedeutung der Empathie für das Überleben von Menschheit und Natur. Blessing Verlag.
Fühlen was die Welt fühlt: Das neue Buch von Joachim Bauer ist im November 2020 im Blessing Verlag erschienen

Das merkwürdige Phänomen der Verwandlung

Es ist das Vorrecht der Jungen, emotional zu sein.

Ein optimistisches Werk

Das Buch

Joachim Bauer: Fühlen, was die Welt fühlt. Die Bedeutung der Empathie für das Überleben von Menschheit und Natur. Karl Blessing Verlag München, 2020. 208 Seiten, 22,00 EUR (D), 22,70 EUR (A).

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