Indigene beim Welt-Biodiversitätsgipfel in Kolumbien: Hört uns endlich zu!

Wir müssen uns wieder mit der Natur verbinden und versöhnen, sonst führen alle Konferenzen ins Leere, fordert die indigene Aktivistin Patricia Gualinga aus Ecuador auf der COP16. Patriarchale Naturschutz-Konzepte verhinderten, dass die Gelder für die Umwelt bei den indigenen Waldhüter*innen ankommen.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
7 Minuten
Patricia Gualinga vor ihrem Haus im Regenwald mit einer weissen, bestickten Bluse.

In ihrer Heimat Sarayaku im ecuadorianischen Regenwald vollbrachte das Kichwa-Volk von Patricia Gualinga eine einzigartige Leistung: Sie vertrieben eine Erdölfirma von ihrem Gebiet, die 1996 eine Konzession bekommen hatte. Die Indigenen verklagten die Firma und den Staat wegen Verletzung ihrer Menschenrechte – und gewannen vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Patricia Gualinga ist seitdem eine Botschafterin ihres Volkes und des Regenwaldes. Papst Franziskus hörte ihr zu, Präsidenten empfingen sie, und auf vielen internationalen Konferenzen ist sie zu Gast. Beim Welt-Biodiversitätsgipfel (COP16) in Cali in Kolumbien brachte sie in drei Minuten das Anliegen der indigenen Völker auf den Punkt.

Hier ihre Ansprache als Video mit deutscher Text-Übersetzung:

Für die Indigenen hatte die Natur schon immer Rechte

Patricia Gualinga: Ich freue mich über die starke Präsenz indigener Völker bei dieser COP, denn sie bringen die Vision ihrer Territorien hierher und eine Weltsicht, die diese Konferenzen verändern kann. Für die Indigenen hatte die Natur schon immer Rechte und hat sie immer noch. Wenn wir jetzt von den „Rechten der Natur“ sprechen, dann nur, damit die Außenstehenden die Idee dahinter verstehen können.

Wenn diese wichtigen Rechte nicht mit den tiefgreifenden Visionen verbunden werden, die aus den indigenen Völkern erwachsen, wird es keinen wirklichen Wandel geben, nicht einmal auf diesen COPs.

Die Konferenzteilnehmer reden von biologischer Vielfalt, aber wo ist denn diese biologische Vielfalt? Sie liegt in den Gebieten, die wir mit unserem Leben verteidigt haben, indem wir uns an die vorderste Front stellten.

Unsere Regierungen wollen nichts verstehen und nichts ändern.

Patricia Gualinga

Bäume unterschiedlichster Grünstufen und Formen türmen sich am  Ufer des Rio Bobonaza in Ecuador.
Die Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf einem Fleckchen Regenwald überfordert das Auge des menschlichen Betrachters. Hier ein Blick auf das Ufer des Flusses Bobonaza in Ecuador.

Biologische Vielfalt ist kein Geschäft

Aber trotzdem wollen unsere Regierungen nichts verstehen und nichts ändern.

Sie fördern weiter den Bergbau, Ölfirmen und Wasserkraftwerke, obwohl wir sehen, dass dieses ganze System nicht mehr funktioniert. Wir sind sehr besorgt darüber, dass die biologische Vielfalt nur als Geschäft betrachtet und dem Markt unterworfen wird, der eben genau diese aktuelle Krise hervorgerufen hat.

Wir wollen keine Folklore sein

Wir indigenen Völker wollen nicht mehr bloß Folklore sein, sondern echte Akteure, die an den Verhandlungen teilnehmen, mit den Regierungen sprechen. Aber vor allem wollen wir nicht mehr nur aus der Ferne gesehen, sondern auch gehört werden.

Hören Sie an, was wir Ihnen vorschlagen, welche Pläne und Bedürfnisse wir haben. Menschen, die wie ich aus Sarayaku stammen, fördern das Konzept vom „lebendigen Urwald“. Das bedeutet, dass wir alle Wesen in der Natur als lebendig anerkennen, als integralen, gleichberechtigten Bestandteil unserer eigenen Transformation. Von dieser Idee haben wir uns entfernt, weil wir uns von der Natur entfremdet haben.

Und es ist an der Zeit, uns wieder zu verbinden.

Ein indigener Bootsführer steht knietief in einem schlammigen Fluss und schiebt ein rotes Holzboot an.
Im Regenwald diktiert die Natur die Gesetze. Hier kämpft ein indigener Bootsführer neben seinem Holzboot gegen die Untiefen und Stromschnellen auf dem Rio Bobonazo unweit von Sarayaku in Ecuador.

Das Geld kommt nicht bei uns an

Wir hören, dass sie zur Rettung des Amazonas Tausende von Finanzmitteln für die indigenen Völker bereitstellen. Aber davon kommt nichts bei uns an. Und warum kommt es nicht an? Weil sie ein System entwickelt haben, damit es uns nicht erreicht, weil sie immer noch ein koloniales Denken haben, das uns sagen will, was wir zu tun haben, und dieses koloniale Denken erlaubt es ihnen nicht, uns zuzuhören.

Koloniales Denken verhindert effektiven Naturschutz

Aber hier sind wir, die Frauen aus dem Regenwald. Im hinteren Teil des Saales sitzen einige meiner Schwestern, die gekommen sind, um zu sehen, was die COP überhaupt ist, was sie hier beschließen, was sie besprechen. Wir wollen es wissen, wir wollen lernen. Viele Schwestern in den Gemeinden wissen gar nicht, dass es diese Treffen gibt. Wenn diese nicht auch die Visionen der Frauen einbeziehen, wenn sie ihre Gefühle nicht berücksichtigen, wird es keinen Wandel geben.

Ohne biologische Vielfalt, ohne Natur, haben wir kein Leben.

Patricia Gualinga

Wir alle sind Teil der Natur

Denn all das hier hat einen patriarchalischen Beigeschmack von Wirtschaft und Geschäft, ohne die indigenen Völker und die Frauen einzubeziehen. Und wir wollen wirklich, dass sie hier die richtigen Entscheidungen zugunsten der biologischen Vielfalt, zugunsten des Lebens treffen. Denn ohne biologische Vielfalt, ohne Natur, haben wir kein Leben.

Wir sind aus der Natur gemacht, wir leben von der Energie der Natur. Unser Körper wird zu Erde. Wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, werden wir keinen Wandel bewirken.

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