Schutz von Wasservögeln vor Vergiftung: EU verbietet Bleimunition in Feuchtgebieten

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner verzichtet auf Veto.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
6 Minuten
Eine Gruppe Gänse im Morgenlicht

Durchbruch zugunsten des Vogelschutzes: Die Verwendung von Bleischrot bei der Jagd in Feuchtgebieten wird künftig europaweit verboten. Nach Informationen der „Flugbegleiter“ aus Teilnehmerkreisen stimmten 18 EU-Staaten am Donnerstag im zuständigen Ausschuss dem Verbotsantrag der EU-Kommission zu und beendeten damit einen monatelangen erbitterten Streit. Das Verbot muss nun noch vom Europäischen Rat und dem Parlament bestätigt werden. Bislang ist eine Entscheidung des zuständigen Ausschusses von diesen noch nie widerrufen worden.

Bis zuletzt stand das Verbot auf der Kippe. Der Stimme Deutschlands kam damit eine entscheidende Rolle zu. Möglich wurde die deutsche Zustimmung durch das Einlenken von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ganz am Ende der Verhandlungen. Sie verzichtete in der Ressortabstimmung mit dem Umweltministerium darauf, neuerlich ein Veto einzulegen.

Sollte nicht noch ein Mitgliedsstaat die Entscheidung vom Donnerstag aus formalen Gründen anfechten, kann das Verbot nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft treten.

Bisher sterben in jedem Jahr in der EU nach Schätzungen von Experten rund 1,5 Millionen Vögel an einer Bleivergiftung durch die Überreste der Jagdmunition in Gewässern. Die Tiere nehmen die winzigen Schrotkügelchen beim Fressen gezielt auf, weil sie sie für Steinchen halten, die sie für den Verdauungsprozess brauchen.

Klöckner gibt Versuch auf, Bleiverbot hinauszuschieben

Bislang hatte die CDU-Politikerin Klöckner eine Zustimmung zu dem Verbot an die Vereinbarung einer dreijährigen Übergangsfrist bei der Einführung bleifreier Munition geknüpft. Die EU-Kommission hatte sich aber geweigert, diesen erst in letzter Minute vorgebrachten Änderungswunsch unter den übrigen Mitgliedstaaten zur Abstimmung zu stellen. Der jetzt verabschiedete Kommissionsentwurf sieht eine zweijährige Übergangsfrist vor.

Anders als Klöckner hatte das Bundesumweltministerium von Anfang an für ein Bleischrot-Verbot plädiert. Hätte Klöckner auf ihrem Nein beharrt, hätte Deutschland sich nach der Geschäftsordnung der Großen Koalition enthalten müssen und hätte damit wahrscheinlich das Verbot verhindert.

Das Einlenken Klöckners dürfte auch auf massiven Druck der Öffentlichkeit zurückzuführen sein. Innerhalb weniger Wochen haben weit über 50.000 Menschen in verschiedenen Petitionen ein Bleiverbot unterstützt. Wissenschaftler und Umweltverbände hatten ebenfalls vehement ein Ende der Bleinutzung in Schrotmunition gefordert.


Zuletzt hatte die EU-Kommission zwar bereits die nötige Mehrheit der Mitgliedstaaten für ein Bleischrotverbot auf ihrer Seite. Allerdings muss gemäß der Abstimmungsbestimmungen nicht nur eine Mehrheit der EU-Länder einer Neuregelung zustimmen, sondern die Befürworterländer müssen auch mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Hier fehlten zuletzt noch fünf Prozent. Mit dem Ja aus Deutschland wird die notwendige Schwelle deutlich überschritten, wenn die übrigen Staaten bei ihrer zuvor angekündigten Linie geblieben sind.

Viele Zugeständnisse an die Jäger im Zuge der Verhandlungen

Um das Bleiverbot wird seit Jahren gerungen. In jedem Jahr gelangen nach Daten der Europäischen Chemikalienagentur ECHA rund 5000 Tonnen des Schwermetalls durch die Überreste der Jagd mit Schrotpatronen in die Gewässer der EU-Staaten.

Um eine Mehrheit für ein Verbot zu erreichen, hat die EU-Kommission im Zuge der Verhandlungen erhebliche Zugeständnisse an die Gegner eines Verbots gemacht. So wurde die Pufferzone verkleinert, innerhalb derer ein Bleiverbot um Feuchtgebiete gilt. Auch auf das zunächst geplante komplette Besitzverbot für Bleimunition wurde verzichtet. Stattdessen soll es ein Mitführverbot bei der Jagd auf Wasservögel geben. Kritiker sehen hier ein Schlupfloch, weil die jetzige Regelung kaum zu kontrollieren sei. Schließlich wurde eine großzügige Übergangsfrist von in der Regel zwei Jahren bis zum Inkrafttreten vereinbart. Klöckner wollte diese um ein weiteres Jahr verlängern.

Auch Jagdverbände hatten beklagt, sie hätten nicht genug Zeit zur Umstellung. Allerdings hatte sich der Jäger-Dachverband FACE bereits 2004 – vor 16 Jahren – in einer Vereinbarung mit dem Vogelschutzdachverband Birdlife International dazu verpflichtet, die Bleischrotnutzung in Feuchtgebieten spätestens 2009 auslaufen zu lassen.

Klöckners Argumente standen gegen den Stand der Wissenschaft

Einige europäische Länder und Regionen jagen ebenso wie US-Bundesstaaten bereits seit längerem bleifrei. Die von den Befürwortern von Bleimunition und auch von Klöckner als Hauptargument angeführte Behauptung, bleifreie Munition sei tierquälerisch, weil sie eine schlechtere Tötungswirkung als Blei habe, gilt wissenschaftlich als widerlegt.

Um einer weiteren Legendenbildung über eine vermeintlich schlechtere Tötungswirkung und über angeblich fehlende Alternativen zu bleihaltiger Munition entgegenzuwirken, hatten in der vergangenen Woche international renommierte Jagdexperten eine Faktensammlung zum Thema vorgelegt. Unter dem Motto „Fakten von Fiktion unterscheiden“ fassen sie den Stand der wissenschaftlichen Forschung zusammen.

Auch ein weiteres von der Ministerin angeführtes Argument erwies sich als falsch. Sie hatte erklärt, Deutschland sei durch nationale und europarechtliche Vorgaben verpflichtet, Wasservogelarten wie Nilgans und Kanadagans zu bejagen. Dies werde durch ein Verbot von Bleischrot erschwert. Diese beiden Arten sind aber in Deutschland nicht als invasiv eingestuft. Sie stehen als potentiell invasive Arten lediglich auf einer Beobachtungsliste. Verpflichtungen, sie abzuschießen, existieren entsprechend nicht.

Bleischrotverbot in Feuchtgebieten ist erst der Anfang

Alle großen Umwelt- und Naturschutzverbände hatten sich in der vergangenen Woche in einem offenen Brief an die beiden Ministerinnen gewandt und ein Ja zum Blei-Verbot gefordert. Auch eine Gruppe von 75 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Angehörigen von Gesundheitsberufen und weiteren Blei-Experten hatten Deutschland eindringlich zum Einlenken aufgerufen.

Das Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem umfassenden Bleiverbot in der Jagd. Ein weiteres Verbotsverfahren – im EU-Jargon Beschränkungsverordnung genannt – befindet sich gerade in der Vorbereitung. Kommt es durch, wird auch bleihaltige Kugelmunition (die vor allem bei der Jagd auf größere Tiere wie Rehe, Hirsche oder Wildschweine verwendet wird) und Bleischrot in anderen Lebensräumen als Feuchtgebieten verboten. Zudem soll im Zuge dieses Verfahrens die Verwendung von Senkblei beim Angeln verboten werden.

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