Coronakrise: Lasst uns über Väter reden!
Wer bei den großen akuten Problemen für Familien ausschließlich über Mütter redet, trägt zum Rückfall in alte Rollenmodelle bei. Ein Kommentar
In der Abfolge der deutschen Feier- und Gedenktage spielt der „Vatertag“ an Christi Himmelfahrt den hässlichen Part. Während Weihnachten zumindest der Geste nach damit begangen wird, anderen eine Freude zu machen, und der Muttertag, um Blumen zu schenken und Danke zu sagen, besteht der symbolische Brauch des Vatertags darin, dass Männer nach Rudelbildung betrunken durch die Gegend laufen, andere ungefragt anquatschen und öffentlich Frust ablassen.
Das Besondere am Vatertag: Man hat einen mit Bier beladenen Bollerwagen dabei. Der bizarre Ablauf gemäß Tradition: Papa geht heute weg, Papa grölt draußen auf der Straße, Papa ist betrunken, Papa kann sich nicht um dich kümmern, der muss jetzt schlafen.
Zum Glück ist dieses Verhalten inzwischen nicht mehr repräsentativ für die Väter des Jahres 2020. Aber in seiner Symbolik spiegelt sich etwas Beunruhigendes wider: Der Vatertag ist für unsere Gesellschaft eine gedankliche Leerstelle, die mit Alkohol gefüllt wird.
Die neue Familienlage ist kein Problem allein der Frauen
Einmal im Jahr könnte eine Gesellschaft das verkraften. Die aktuelle Diskussion um das Familienleben in der Coronakrise zeigt aber, dass es um viel mehr geht. Bei der Frage, wie Familien die neuen Lebensrhythmen, Umstände und Zwänge, die mit der Pandemie über uns gekommen sind, bewältigen können, stehen nun wieder vor allem die Mütter im Zentrum der Diskussion. Da gehören sie natürlich hin. Aber nicht allein, sondern gemeinsam mit den Vätern, den Männern.
Die Sorge geht um, dass die Coronakrise, in der die reguläre Betreuung der Kinder in Kitas und normaler Schulunterricht bis auf weiteres wegfallen, zu einem Rückfall in alte Rollenmodelle führen wird: Er verdient das Geld, sie bleibt zuhause und kümmert sich um die Kinder. Diese Sorge ist berechtigt. Und wenn man sich die fortgesetzt skandalösen Unterschiede in der Bezahlung von weiblicher und männlicher Erwerbsarbeit anschaut, wird schnell klar, wie in Familien die Abwägung auszugehen droht, wer weiter Geld verdient und wer sich auf den Nachwuchs und den Haushalt konzentriert.
Meine Kollegin Tanja Krämer hat deshalb zurecht gefordert: Lasst uns über die Mütter reden! Doch die neue Familienlage ist kein Problem allein der Mütter. Sie betrifft alle – die Kinder, die mit den Ängsten dieser Tage konfrontiert sind und ohne Kita oder mit deutlich weniger Schulunterricht dastehen, und die Väter, die ebenfalls um ihre Rolle in der neuen Situation ringen. Das gilt vor allem für jene Väter, die ihre Rollen und Aufgaben bewusst reflektieren und anders leben wollen als die Generation ihrer oftmals durch Abwesenheit und emotionale Distanz ganz und gar nicht glänzenden eigenen Väter.
Auch für Männer gab es einen befreienden Rollenwandel
Ein Rückfall in alte Familienmodelle bedroht da eben nicht nur die Rolle der Frau, sondern auch die mühsam erarbeiteten Fortschritte für die Rolle der Väter in Familien. Der stereotype abwesende Vater, der sich entweder ins Büro, in die Kneipe oder den „Hobbykeller“ verzieht und dann am Sonntag den Braten anschneiden darf, ist heute zumindest nicht mehr der Regelfall.
Viele Väter empfinden diese Entwicklung ebenso als Befreiung wie Mütter den ganz normalen Zugang zur Erwerbsarbeit. Sich als Mann nicht allein über irgendwelche beruflichen, körperlichen oder sonstigen Leistungen zu definieren, sondern über eine lebendige und enge Beziehung zu den Kindern, und diese Rolle ganz selbstverständlich und öffentlich wahrzunehmen – das ist das männliche Gegenstück zum veränderten Rollenbild von Müttern.
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