Zoo-logisch: Wie Beutelmulle ihre Umgebung wahrnehmen und Fledermäuse auf Stürmen reiten
Tiere brauchen Schutz, guter Schutz braucht Wissen: Die Tier-Reporter berichten in ihren News über das verborgene Leben der Beutelmulle und über Fledermäuse, die Stürme zum Reisen nutzen. Außerdem: Aus für das Ponyreiten auf dem Hamburger Dom sowie Filmtipps zu Fröschen und Walen.
Zoo-logisch – die News-Rubrik der Tier-Reporter. Heute mit folgenden Themen:
Erforscht: Wie Beutelmulle ihren Sehsinn verloren | Entdeckt: Fledermäuse wandern auf Stürmen | Empfohlen: Filme über das Verschwinden der Frösche und die Nähe zu Pottwalen | Erfreulich: Kein Ponyreiten mehr auf dem Hamburger Dom
Erforscht: Das verborgene Leben der Beutelmulle
In Australien herrscht kein Mangel an ungewöhnlichen Tieren, doch selbst in dieser Umgebung fällt der Beutelmull auf: Die nur knapp 20 Zentimeter kleinen Tiere „schwimmen“ in etwa einem Meter Tiefe durch den Wüstensand. Körperbau und Lebensweise erinnern an einen Maulwurf. Allerdings legen die Mulle im Untergrund keine permanenten Gänge und Höhlen an. Im feinen Sand stürzen ihre Bauten sofort wieder ein, und so hinterlässt der Beutelmull nur Spuren im Sand.
Wie der Name schon sagt, gehört der Mull zu den Beuteltieren: In seinem Beutel wachsen bis zu zwei Jungtiere heran, und der Beutel öffnet sich nach hinten. Eine sinnvolle Entwicklung, denn ansonsten würde der Nachwuchs beständig mit Sand überschüttet. Viel mehr weiß die Wissenschaft allerdings nicht über Beutelmulle – so versteckt ist ihre Lebensweise.
Jetzt allerdings hat ein internationales Forschungsteam, an dem auch die Arbeitsgruppe von Jürgen Schmitz an der Universität Münster beteiligt war, das Genom der Beutelmulle entschlüsselt und dabei wichtige Fragen geklärt: zum Beispiel die, wie der Beutelmull seine Umgebung wahrnimmt. Sein Augenlicht hat er im Lauf der Jahrmillionen verloren. Im dunklen Untergrund brachte ihm der Sehsinn keinen Nutzen.
Die Evolution hat den Sehsinn aber nicht einfach ausgeschaltet. Die Entwicklung ging schrittweise vonstatten: Zunächst verschwand die Augenlinse, ein paar Millionen Jahre später ging das Farbensehen verloren. Und erst vor drei Millionen Jahren büßte der Beutelmull die Stäbchen ein – Sinneszellen, mit denen er in der Dämmerung hell und dunkel wahrnehmen konnte. Heute sind die Tiere komplett blind, verfügen aber über einen hervorragenden Tastsinn und ein gutes Gehör.
In ihrer Arbeit haben die Forschenden auch die Abstammung des Beutelmulls untersucht, denn als Biologïnnen Ende des 19. Jahrhunderts das erste Exemplar vor sich hatten, glaubten sie, dass es sich um ein Verbindungsglied zwischen Beuteltieren und höheren Säugetieren handeln müsse. Ein Irrtum. Heute weiß man, dass Beutelmulle am engsten mit den Nasenbeutlern verwandt sind. Bei ihrer Analyse untersuchten die Forschenden springende Gene, eine Methode, mit der sie bereits den Ursprung der australischen Beuteltiere aufgeklärt haben.
Die Zukunft der Beutelmulle – und vieler anderer Beuteltiere – bleibt ungewiss, denn sie leiden unter der Zerstörung ihres Lebensraumes und der Konkurrenz durch eingeführte Säugetiere von anderen Kontinenten: vor allem Katzen und Füchse.
Entdeckt: Wandernde Fledermäuse nutzen Stürme für ihre Reise
Der Große Abendsegler (Nyctalus noctule) ist nicht nur eine der größten Fledermausarten an unserem Nachthimmel. Die Tiere gehören auch zu den wenigen Flugsäugetieren, die über weite Strecken wandern. Wie ihnen das gelingt und welche Routen sie dabei nehmen, war bislang weitgehend unbekannt. Denn sie wandern nachts und einzeln.
Jetzt statteten Forschende am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz 71 der besonders wanderfreudigen Weibchen der Abendsegler mit winzigen, nur 1,2 Gramm schweren Sendern aus, deren Signale sie überall in Europa empfangen konnten. Die Tiere wiegen etwa 20-mal so viel, sodass die Sender sie vermutlich wenig stören.
Dank dieser Technik gelangen einzigartige Einblicke in das Wanderverhalten der Abendsegler. Die Fledermäuse legten in 46 Tagen bis zu 1.116 Kilometer zurück, obwohl sie, anders als Zugvögel, immer wieder Fresspausen einlegen müssen. In einer einzelnen Nacht schafften sie 400 Kilometer. Das ist ein neuer Rekord für diese Art.
Anders als man früher dachte, wandern verschiedene Tiere auf unterschiedlichen Routen. Nur die ungefähre Richtung ist bei allen gleich. Und noch etwas verbindet die Abendsegler: Sinkt der Luftdruck und kündigt damit eine nahende Sturmfront an, starten sie alle fast zeitgleich zur nächsten Etappe.
„In bestimmten Nächten sahen wir eine Explosion von Abflügen, die auf dem Bildschirm wie ein Fledermausfeuerwerk aussahen“, sagt Edward Hume, einer der Erstautoren der Science-Studie laut einer Pressemitteilung. In diesen Nächten nutzen die Tiere die heftigen Winde des Sturms, um schneller voranzukommen. Der berühmte Doors-Song „Riders on the storm“ scheint ihr Lieblingslied zu sein.
Empfohlen: Preisgekrönter Kurzfilm „The Waiting“
„Als ich zurückkam, waren die Frösche fort. Alle.“ Im Animationsfilm „The Waiting“ berichtet die amerikanische Biologin Karen Lips von ihrer Arbeit an Fröschen im Regenwald. Bis die Tiere fast von einem Tag auf den anderen verschwinden. Was ist passiert? Der Film zeichnet nach, wie Lips zusammen mit Kollegïnnen dem globalen Amphibiensterben auf die Spur kommt: eine Pilzseuche, die viele Arten erheblich dezimiert oder sogar schon ausgerottet hat.
„The Waiting“ stammt aus der Hand von Volker Schlecht, Illustrator, Gestalter und Professor an der Hochschule Anhalt in Dessau. Der Film dauert nur eine Viertelstunde – und ist doch ein visuelles Meisterwerk. „The Waiting“ wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und ist unter anderem in der ARD-Mediathek (hier mit deutschen Untertiteln) zu sehen. Empfehlenswert ist auch ein Interview mit Volker Schlecht, in dem er vom Making-of des Films berichtet. Es ist ebenfalls in der ARD-Mediathek zu finden.
Empfohlen: Walfreundschaften
Über außergewöhnliche Beziehungen zwischen Menschen und Tieren ist viel geschrieben und gesendet worden. Doch ein freundschaftlicher Kontakt zwischen einem Taucher und Pottwalen ist schon etwas Besonderes. Davon handelt der Film „Patrick and the Whale“, den ARTE bis zum 4. März in seiner Mediathek präsentiert.
Mit unendlicher Geduld schafft es der amerikanische Unterwasserfotograf und -filmer Patrick Dykstra, das Vertrauen zweier Pottwalkühe zu gewinnen. Er kommt den Tieren dabei so nahe wie sonst kaum jemand. Der Film zeigt sensationelle Bilder vom Sozialverhalten der Tiere. Und von der Jagd eines Weibchens in der Tiefsee – mittels einer an das Tier angehefteten Kamera.
Die schon im Jahr 2022 veröffentlichte Dokumentation begeisterte das Publikum bei Festivals in Toronto, Zürich und beim Innsbruck Nature Film Festival. Sie räumte inzwischen über 20 internationale Filmpreise ab. Derzeit arbeitet Patrick Dykstra zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) daran, die komplexe Sprache der Pottwale zu entschlüsseln.
Erfreulich: Aus für Ponyreiten
Keine leuchtenden Kinderaugen mehr, keine jauchzenden Kleinen – wie können wir das nur erfreulich finden? Es geht um das Ponyreiten auf dem Hamburger Dom, dem der Senat der Hansestadt nun endgültig die Erlaubnis entzogen hat. Der Dom ist ein großer Jahrmarktsrummel, der dreimal jährlich stattfindet, mit Fahrgeschäften aller Art.
Bis zur Coronapandemie hatte wie selbstverständlich auch das Pony-Karussell dazugehört. Doch damit ist nun Schluss. Im Dezember 2024 beschloss der Senat, dass „gewerblich zur Schau gestellte Tiere“ nichts mehr auf dem Rummel zu suchen haben – Aus für das Ponyreiten also.
Viele von uns haben selbst Kinder, die Pferde lieben. Und wer sich noch an seine eigene Kindheit erinnert, kann nachempfinden, was es heißt, ein Tier anfassen zu dürfen, sein Fell zu streicheln, sich von einem breiten Rücken tragen zu lassen. Aber für die Pferde ist all das kein Vergnügen. Im Gegenteil. Sie laufen täglich über viele Stunden stumpf im Kreis, ihre Köpfe sind fixiert, sie haben keine Möglichkeit, sich einmal durchzustrecken.
Das belastet ihren Bewegungsapparat erheblich. Hinzu kommt die unsachgemäße Behandlung, das Rupfen an den Mähnen oder dauernde Tritte gegen Pony-Flanken. Nicht zu vergessen das psychische Leid, weil diese Tiere einfach nicht artgerecht leben dürfen. Kurz: Die Ponys leiden, und zwar massiv. Dass Hamburg dem nun ein Ende macht, finden wir sehr erfreulich.
Auch sollten Kinder früh erfahren, dass Tiere nicht zu unserem Vergnügen auf der Welt sind, sondern dass sie ein eigenes Leben haben mit eigenen Bedürfnissen. Was meinen Sie? Sehen wir das zu eng? Schreiben Sie uns gern Ihre Meinung an info@riffreporter.de.
Tiere brauchen Schutz, guter Schutz braucht Wissen.
So lautet das Motto der Tier-Reporter, einem Recherchekollektiv der Riffreporter.
Wie leben die anderen Tiere auf diesem Planeten? Was haben wir Menschen mit ihnen gemein? Können sie mit uns zusammenleben? Das fragen die erfahrenen Journalistïnnen des Teams, allesamt Expertïnnen für Zoologie in ihren Reports und Reportagen – und in diesen regelmäßig erscheinenden News.
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