Zoo-logisch: Wie die Schuppen der Krokodile entstehen und Riesenratten dem Tierschutz helfen

Tiere brauchen Schutz, guter Schutz braucht Wissen: Die Tier-Reporter berichten in ihren News über einen neu entdeckten Wärmesinn in den Beinen geruchsblinder Mücken, ein Modell der Kopfschuppenbildung von Krokodilen sowie Riesenhamsterratten, die geschmuggelte Tierprodukte riechen können. Außerdem: Buchtipps zu Pinguinen und Lärmverschmutzung.

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Ein junges braungelbes Krokodil streckt von links seinen bedrohlich wirkenden Kopf ins Bild. Das porfil zwigt ein großes Auge und viele lange spitze Zähne.

Zoo-logisch – die News-Rubrik der Tier-Reporter. Heute mit folgenden Themen:

Erforscht: Mechanik bestimmt Schuppenmuster der Krokodile | Entdeckt: Gelbfiebermücken nutzen Wärmesensor in den Beinen | Empfohlen: Bücher über Stille in der Natur und liebende Pinguine | Erfreulich: Ratten helfen im Kampf gegen illegalen Wildtierhandel

Erforscht: Mechanik bestimmt Schuppenmuster der Krokodile

Wer Krokodile auseinanderhalten möchte, sollte sich deren Köpfe anschauen. Dort bilden die Schuppen individuelle Muster. Und auch die Arten unterscheiden sich deutlich. Kaimane haben beispielsweise kleinere Kopfschuppen als andere Alligatoren oder Echte Krokodile.

Doch wie entstehen die unterschiedlichen Muster? Sind sie ausschließlich im Text der Gene kodiert, wie man früher vermutete und wie es für viele morphologische Merkmale bei Wirbeltieren gilt? Oder entstehen sie durch das Zusammenwirken von genetischen Einflüssen und äußeren Faktoren? Jetzt fand ein Forschungsteam der Universität Genf die Antwort: Es sind vor allem mechanische Eigenschaften, die festlegen, wo die Grenzen zwischen den einzelnen Kopfschuppen eines Krokodils verlaufen.

Während der Embryonalentwicklung wächst die Haut am Kopf der Tiere zeitweise schneller als die darunterliegenden Knochenstrukturen. Dadurch wirft die Haut Falten, und diese bilden später den Rand einer Schuppe. Wo das genau geschieht, ist ein rein mechanischer Vorgang, den Fachleute Druckfaltung nennen und der ausschließlich den Regeln der Physik folgt.

Die Forschenden machten Experimente mit belebten Eiern von Nilkrokodilen und stellten die Entwicklung des Schuppenmusters zudem in aufwendigen Computersimulationen nach. So entwickelten sie ein Modell, mit dem sie die unterschiedlichsten Muster dreidimensional vorhersagen konnten.

Die kleineren Schuppen der Kaimane sind dem Modell zufolge das Resultat eines stärkeren Hautwachstums, das die Faltenbildung ankurbelt. Auch das konnten die Genfer Biologïnnen bestätigen: Spritzten sie einen Botenstoff, der die Haut rascher wachsen lässt, in die Eier von Nilkrokodilen, schlüpfen daraus Tiere, deren Kopfschuppenmuster an Kaimane erinnert.

Entdeckt: Gelbfiebermücken nutzen Wärmesensor in den Beinen

Dass blinde Menschen besonders gut hören und tasten können, ist bekannt. Unser Gehirn nutzt dafür Regionen im Gehirn, die ansonsten brach liegen würden. Dass allerdings auch Mücken eine solche „sensorische Kompensation“ beherrschen, ist neu.

Takeshi Morita und Kollegïnnen von der Rockefeller University in New York untersuchten weibliche Gelbfiebermücken (Aedes aegypti), denen sie mit einem gentechnischen Eingriff den Geruchssinn geraubt hatten. Erstaunlicherweise hatten die Insekten, die Zika-, Dengue- oder Gelbfieber übertragen können, dennoch kein Problem damit, Menschen zum Blutsaugen aufzuspüren.

Die Mücken waren plötzlich in der Lage, ihre Opfer anhand der Wärme zu finden, die sie abstrahlten. Doch dafür waren nicht die bekannten Wärmesensoren in den Antennen der Tiere verantwortlich, wie einer Veröffentlichung im Fachblatt „Science Advances“ zu entnehmen ist, sondern sensible Zellen in den Vorderbeinen.

Als Reaktion auf das Abschalten des Riech-Gens in weit entfernten Körperzellen regulierten die Zellen in den Beinen ein anderes Gen und erhöhten dessen Aktivität. Das machte diese Zellen plötzlich empfänglich für die Wahrnehmung von Wärme auf menschlicher Haut.

Besonders fatal: Weil die Insekten nicht mehr riechen konnten, reagierten sie auch nicht mehr auf mückenabweisende Sprays. Forschende, die von Mücken übertragene Krankheiten durch gentechnische Veränderungen der Tiere bekämpfen wollen, sollten sich die Resultate dieser Studie sehr genau ansehen. Ihr Ansatz kann offenbar auch nach hinten losgehen.

Empfohlen: Buch über Stille in der Natur

Natural History of Silence by Jérôme Sueur, Polity 2024

Dieses Buch widmet sich einer umkämpften Ressource, von der wir nur wenig wissen: Stille. Sie spielt eine entscheidende Rolle für den Fortbestand der Arten. Denn jede Spezies besetzt eine akustische Nische, in der sie gehört wird und in der sie mit ihren Artgenossen kommunizieren kann. Doch dieser akustische Raum wird nahezu vollständig von Menschen eingenommen. Unser Lärm ist überall und beeinträchtigt die Kommunikation anderer Arten, etwa im Meer durch Schiffsverkehr und Unterwasserschall. Wir nehmen Tieren nicht nur ihren Lebensraum weg, sondern auch ihre akustischen Nischen.

Der Autor des Buches, Jérôme Sueur, ist Ökoakustiker am Naturkundemuseum in Paris und widmet sich professionell den Klängen der Umwelt. Er plädiert für „stille Schutzgebiete“, in denen sich die Stimmen der Tiere ausbreiten können – damit sie nicht im Lärm des Anthropozäns verschwinden. Es ist ein zutiefst nachdenklich machendes Buch.

Empfohlen: Eine Reise zu den Pinguinen

Passend zur Jahreszeit geht es in die Kälte: „Das geheime Liebesleben der Pinguine“ (DVA) heißt das Buch von Lloyd Spencer Davis. Der preisgekrönte Autor und Forscher hat bahnbrechende Entdeckungen an Adeliepinguinen veröffentlicht: So fand er heraus, dass die Vögel Gefallen am gleichgeschlechtlichen Liebesleben finden und gern den Partner wechseln. Neue Erkenntnisse – so glaubte man zumindest.

Tatsächlich hat fast 100 Jahre zuvor bereits George Murray Levick, Arzt, Polar- und Pinguinforscher, diese Entdeckungen gemacht. Dass seine Berichte über den Pinguin-Sex lange unveröffentlicht blieben, hat mit der Selbstzensur des Autors zu tun: Er hat diese – aus damaliger Sicht – unziemlichen Passagen in einer Geheimschrift verfasst.

Davis dagegen berichtet umfassend – und zeichnet zugleich die ersten Expeditionen in die Antarktis nach: vor allem den Wettlauf zum Südpol. Wer sich das spannende, vielschichtige und unterhaltsame Buch aus dem Jahr 2021 ins Regal stellen möchte, sollte sich beeilen. Der Verlag vertreibt es nur noch als eBook, aber noch sind druckfrische Exemplare im Handel erhältlich.

Vor mehreren gestapelten Pappkartons steht eine große Ratte mit roter Weste und schnüffelt daran.
Ratte sucht: Mit Leibchen und Leine erschnüffelt die Riesenhamsterratte Schmuggelgut.
Eine große Ratte schräg von vorne fotografiert. Sie betrachtet ein sibernes Gefäß und drückt mit ihren Vorderfpoten ein Kügelchen, das an einer roten Weste befestigt ist, mit der sie angezogen ist.
Ratte piepst: Erschnüffelt sie einen verdächtigen Geruch – wie hier beim Training – zieht sie mit ihren Vorderpfoten an der kleinen Kugel am Westenrevers und löst damit einen Piepton aus.
Eine große Ratte mit roter Weste wird von einem Menschen gefüttert. Sie darf aus einer Spritze eine Flüssigkeit trinken.
Ratte wird belohnt: Nach einem erfolgreichen Einsatz bekommt sie ein leckeres Schlückchen von ihrem Trainer.

Erfreulich: Ratten helfen im Kampf gegen illegalen Wildtierhandel

Afrikanische Riesenhamsterratten haben eine so gute Nase, dass sie seit Jahren Menschenleben retten: In ehemaligen Kriegsländern wie Angola oder Kambodscha erschnüffeln sie Landminen, außerdem sind sie in der Lage, Tuberkulose bei Erkrankten zu erkennen.

Nun hat die Organisation APOPO aus Tansania, die die vergleichsweise stattlichen Nager – ihr Körper und ihr Schwanz werden jeweils bis zu 45 cm lang – seit Jahren erfolgreich trainiert, ihnen auch beigebracht, tierisches Schmuggelgut aufzuspüren. Dazu zählen Elefantenstoßzähne, Schuppentierschuppen oder Nashornhorn.

Die Ratten sollen Zoll und Polizei helfen, den illegalen Wildtierhandel einzudämmen. Der setzt als viertgrößter Wirtschaftszweig der grenzüberschreitenden Kriminalität laut Schätzungen von Interpol und UNEP 7 bis 23 Milliarden US-Dollar pro Jahr um und bedroht das Überleben zahlreicher Arten.

Dass die Ratten tatsächlich Schmugglerware erschnüffeln können, belegt eine aktuelle Studie, an der die deutsche Verhaltensbiologin Isabelle Szott beteiligt war. Acht von elf trainierten Ratten spürten vier häufig geschmuggelte Teile auf, selbst wenn diese zwischen anderen duftenden Substanzen wie etwa Kaffee versteckt waren.

Inzwischen haben sich die Schnüffelnasen auch im realen Einsatz am Hafen bewährt – und sind billiger und schneller als das Screening mit technischen Instrumenten. „Die Tiere können leicht in enge Räume wie Schiffscontainer klettern oder hochgehoben werden, um die Belüftungssysteme versiegelter Container zu überprüfen“, erklärt Szott. Sie sind mit speziellen Westen ausgestattet, am Brustrevers hängt ein kleiner Ball. Riechen sie etwas Verdächtiges, ziehen sie mit ihren Vorderpfoten daran und lösen einen Piepton aus.

Tiere brauchen Schutz, guter Schutz braucht Wissen.

So lautet das Motto der Tier-Reporter, einem Recherchekollektiv der Riffreporter.

Wie leben die anderen Tiere auf diesem Planeten? Was haben wir Menschen mit ihnen gemein? Können sie mit uns zusammenleben? Das fragen die erfahrenen Journalistïnnen des Teams, allesamt Expertïnnen für Zoologie in ihren Reports und Reportagen – und in diesen regelmäßig erscheinenden News.

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