Zoo-logisch: Wenn Kraken mit Fischen kooperieren und Affen sich Namen geben

Forschende entdecken immer besser, wie schlau Tiere sind: Kraken und Fische gehen gemeinsames auf Beutefang, Seidenaffen haben spezielle Rufe füreinander und Hunde wissen, dass Menschen keine Alphatiere sind.

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Zwei Kraken schwimmen gemeinsam über dem Meeresgrund.

Die moderne Verhaltensforschung entdeckt bei immer mehr Tierarten Fähigkeiten, die man früher nur dem Menschen zubilligte. Der Erhalt der globalen Artenvielfalt wird dadurch noch wichtiger. Jetzt kommen neue Erkenntnisse über Kraken, Neuweltaffen und Hunde hinzu. Außerdem lernen wir, dass manche Tiere für den Artenschutz sogar sterben müssen. Und eine neue Ausstellung in Hamburg bringt uns die Welt der Wildtiere näher.

Wenn Kraken mit Fischen kooperieren

Es ist ein ungewöhnliches Verhalten, das Forschende bei Tauchgängen im Roten Meer beobachtet haben: Raubfische und Kraken jagen gemeinsam – und offenbar haben alle Beteiligten auf diese Weise mehr Erfolg und mehr zu fressen. Die Analyse dieses Verhaltens veröffentlichte das Forschungsteam um Eduardo Sampaio und Simon Gingins vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz jetzt im Magazin „Nature Ecology & Evolution“.

Eine Kooperation mit klar verteilten Rollen: Die Fische führen das Team an. Vor allem Barben erkunden das Riff, gefolgt von anderen Fischarten, etwa Zackenbarschen – und dem Kraken. Das Startsignal für die Jagd gibt dann der Krake. Mit seinen langen, flexiblen Tentakeln spürt er die Beute auf, die sich in engen Spalten versteckt hält, etwa Krebstiere, kleine Fische, Muscheln und Schnecken. Flüchtet die Beute, schlagen sowohl Krake als auch Raubfische zu.

Das komplexe Verhalten ist eine Win-Win-Situation. Die Forschenden analysierten mehr als hundert Stunden Videomaterial und machten eigene Experimente. Zum Beispiel versteckten sie Futter in einer Röhre. Wenn der Fisch diese Futterstelle angriff, tat der Oktopus in 90 Prozent der Fälle dasselbe.

Fische als „erweiterte Sinnesorgane“

Der Oktopus nutzte also die Fähigkeit der Fische, Beute zu finden. Die Fische seien für ihn so etwas wie erweiterte Sinnesorgane, so die Analyse der Forschenden. Und die Fische wiederum nutzten den Oktopus als Werkzeug, um die Beute aufzuscheuchen.

Der Große Blaue Krake, bei dem dieses Verhalten beobachtet wurde, gilt wie die meisten Oktopoden als Einzelgänger. Dass er zu derart komplexen, sozialen Interaktionen fähig ist, zeigt, wie intelligent und flexibel die Tiere sind.

Generell gelten Kopffüßer – zu denen etwa Kraken, Kalmare und andere Tintenfische gehören – als die intelligentesten Vertreter unter den Wirbellosen. Und auch bei den vermeintlich stummen Fischen entdecken Forschende immer neue und überraschende Leistungen, darunter eine erstaunlich vielfältige Kommunikation.

Marmosetten rufen sich beim Namen

Doch nicht nur zu Kraken gibt es faszinierende Neuigkeiten. Auch den Affen entreißen Forschende immer neue Geheimnisse. Was können zum Beispiel Delfine, Elefanten und Menschen, aber keine Menschenaffen? Sie geben Artgenossen Namen und rufen einander. Jetzt muss der elitäre Kreis erweitert werden. Denn ein Team von Forschenden um David Omer von der Hebräischen Universität in Jerusalem entdeckte, dass auch Marmosetten Namen füreinander haben.

Ein schwarzes Äffchen mit Büscheln von lang abstehenden weißen Haaren auf beiden Seiten des Gesichts schaut neugierig in die Kamera.
Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus), auch Pinselohräffchen genannt, gehören zur Gattungsgruppe der Marmosetten, einer Gruppe der Krallenaffen. Sie leben im Nordosten Brasiliens.

Diese Primatengattung lebt in Südamerika. Zu ihr gehören die gut 20 Arten von Büschelaffen und Seidenäffchen. Ihre Umwelt ist der tiefe, undurchdringliche Regenwald des Amazonasgebiets. Dort sehen sie sich meist schlecht, weshalb die sozialen Tiere im Zuge der Evolution eine Möglichkeit finden mussten, miteinander selbst dann zu kommunizieren, wenn sie sich keine Zeichen geben können.

Das vermuten zumindest die Forschenden. Im Fachblatt Science veröffentlichten sie Belege, dass die Neuweltaffen immer wieder schrille laute Rufe ausstoßen. Damit benennen sie eindeutig ihre Artgenossen und rufen nach ihnen. Auf jedes Tier passt ein etwas anderer Schrei, wobei die Namen von Familienmitgliedern einander ähnlicher sind als andere Namen.

Das heißt aber nicht, dass nur Familienmitglieder miteinander kommunizieren. Nicht verwandte Äffchen sind sehr wohl in der Lage, auch noch als Erwachsene die Namen ihnen unbekannter Artgenossen zu erlernen.

„Marmosetten leben in kleinen monogamen Familiengruppen und kümmern sich gemeinsam um ihre Jungen, ähnlich wie Menschen“, sagt Omer in einer Pressemitteilung. Vermutlich standen beide Arten „in der Evolution vor ähnlichen sozialen Herausforderungen“. Heraus kam wohl auch eine ähnliche Art der Kommunikation.

Podcast „Believe in Dog“

Auch in der Welt der Hunde gibt es neues zu entdecken: Brauchen Hunde uns als Alphatiere? Oder ist das ein grundfalsches Denken in der Hundeerziehung? Hören Sie dazu den renommierten US-Verhaltensexperten Marc Bekoff aus Boulder, Colorado, im Podcast „Believe in Dog“ (Dauer: 1 Std. 15 Min.). Eine Warnung vorweg: Es kommen unangenehme Dinge zur Sprache. So ist Bekoff der Meinung, dass die Alphatier-Rolle oft nur als Ausrede dafür dient, einen Hund zu misshandeln, ihn körperlich oder psychisch zu bestrafen, damit er sich fügt.

Wir sind nun mal keine Hunde und kommunizieren nicht wie sie, unsere Beziehung ist stets artübergreifend, was Missverständnissen Tür und Tor öffnet. Ein aggressiv strafender Mensch ist aus Hundesicht kein Rudelführer, er ist ein misshandelnder Mensch, dem man nicht vertrauen kann. Was es hingegen braucht, so Bekoff, ist Respekt für das vielschichtige Wesen des Hundes. Und die Bereitschaft von Menschen, diese Persönlichkeit kennenlernen zu wollen.

„Hunde sind nicht unsere besten Freunde“, sagt Bekoff. Sie haben ihr eigenes Leben, so wie Kinder es haben, deren Lebenszweck es ja auch nicht ist, uns zu bereichern. Bekoffs Fazit: Hunde brauchen keine Alphas, sie brauchen tiefe Bindungen zu Menschen, die sie respektieren und verstehen wollen.

Ausstellung: Botschaft der Wildtiere

Wer insgesamt mehr über Wildtiere erfahren möchte, dem sei eine neue Ausstellung ans Herz gelegt. In Hamburg hat die „Botschaft der Wildtiere“ eröffnet, eine Multimedia-Dauerausstellung der Deutschen Wildtierstiftung. Ihr Ziel ist es, die Besucherïnnen mit der heimischen Tierwelt vertraut zu machen. Auf zwei Stockwerken geht es um tierische Lebensräume, soziale Bindungen und um die erstaunlichen Fähigkeiten von Otter, Fuchs, Adler und allen anderen freilebenden Geschöpfen, mit denen wir unsere Umwelt teilen.

Darüber hinaus gibt es ein Naturfilmkino mit wechselndem Filmangebot und eine Lernwerkstatt für Kinder, in der sich Natur erforschen und anfassen lässt. Ein Ausflug der Hamburger Tier-Reporterinnen und -Reporter zur „ständigen Vertretung der heimischen Tierwelt“ ist schon in Planung.

Mungos töten für den Artenschutz?

Wer Tiere liebt, kann nicht gutheißen, wenn sie getötet werden. Oder doch? Die Frage stellt sich, wenn Arten eingeschleppt oder gezielt ausgesetzt werden und in der neuen Heimat zur Gefahr werden. Dunkle Tigerpythons beispielsweise haben sich in den sumpfigen Everglades in Florida breitgemacht, fressen dort alles vom Vogel bis zum Hirsch. Die Riesenschlangen sind mittlerweile ein fester und zerstörerischer Bestandteil des Everglades-Nationalparks – der auch UNESCO-Welterbe ist.

Angesichts dieser ökologischen Tragödie ist eine aktuelle Nachricht des japanischen Umweltministeriums durchaus erfreulich: Auf Amami-Ōshima wurden alle Mungos durch eigens eingestellte Jäger getötet. Diese Insel gehört ebenfalls zum UNESCO-Weltnaturerbe, weil sie von artenreichem Regenwald bedeckt ist. Zur angestammten Fauna gehört die hochgiftige und aggressive Habuschlange. Um das Risiko für Menschen zu minimieren, wurden vor etwa vierzig Jahren Mungos ausgesetzt. Sie jagen Schlangen, und selbst Kobragift kann ihnen nicht viel anhaben.

Auch eine Zecke ist jetzt gefährdet

Doch die biologische Invasion hatte – wie so oft in solchen Fällen – nicht den gewünschten Effekt. Der Räuber und die angedachte Beute trafen sich gar nicht. Denn anders als die nachtaktiven Habuschlangen sind Mungos nur tagsüber unterwegs. Stattdessen machten sie sich über Ryūkyū-Kaninchen her. So dezimierten sie die Populationen der evolutionär alten Art, die nur auf dieser und einer weiteren Insel vorkommt, erheblich. In Japan hat die Spezies den Status einer Naturikone.

Auch eine Zecke, die auf das Kaninchen als Wirt angewiesen ist, wird jetzt als gefährdet eingestuft. Anders als oft angenommen, sind Parasiten nicht verzichtbar, sondern ökologisch wertvoll. Sie kontrollieren Wirtsbestände und sorgen für komplexe Nahrungsnetze. Das Töten der Mungos mag also traurig sein. Aber mindestens zwei bedrohte Arten dürften sich nun erholen.

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