Zoo-logisch: Wenn Rippenquallen miteinander verschmelzen und Elefanten sich an Pflegekräfte erinnern

Wie faszinierend die Tierwelt ist zeigen gute TV-Dokus, preisgekrönte Wildtierfotos und die Forschung: Zwei verletzte Quallen bilden einen einzigen Organismus, Elefanten speichern über Jahre den Geruch von Menschen und Mönchsrobben vor Hawaii erholen sich.

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Eine durchsichtige, ovale Qualle mit Seitenleisten, die in Regenbogenfarben schillern, vor grünem Hintergrund.

Viele Menschen halten sich für eine Art „Krone der Schöpfung“. Doch ein kurzer Blick auf neueste Erkenntnisse der Wissenschaft genügt, diese Sicht als Missverständnis zu entlarven. Alle derzeit lebenden Tierarten sind perfekt an ihre Umwelt angepasst. Kein Wunder, dass sie Dinge können, von denen wir noch nicht einmal zu träumen wagen.

Rippenqualle plus Rippenqualle gleich Rippenqualle

Mehr Minimalismus geht kaum. Die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, die sogenannte Meerwalnuss, ist denkbar einfach gebaut: als lebende Klebefalle. Während ihr durchsichtiger Körper durchs Wasser treibt, bleiben nahrhafte Partikel an der Schleimhülle der Tiere hängen. Das klingt wenig beeindruckend, macht diese Art aber zum evolutionären Erfolgsmodell – und gefürchteten Eindringling. Sogar besonders widrige Umstände übersteht das Tier auf erstaunliche Weise. Nach einer aktuellen Studie können zwei verletzte Rippenquallen zu einem gesunden Organismus verschmelzen.

Die Meerwalnuss stammt von der amerikanischen Ostküste, findet sich mittlerweile aber fast auf der ganzen Welt. Ihr Auftreten im Schwarzen Meer ab den 1980ern gilt als abschreckendes Lehrstück der Invasionsbiologie. Die Rippenqualle vermehrte sich ungehindert und fraß heimischen Arten die Beute weg. Darunter auch Fischeier, was die Populationen der Sardellen und damit das Einkommen vieler Fischer einbrechen ließ.

In der Ostsee kommen die Tiere auch vor, sind bislang aber eher ein Problem für sich ekelnde Badegäste, die sich im Sommer durch wabbelige Rippenquallenblüten kämpfen müssen. Zumindest scheinen die harten Winter der Meerwalnuss zuzusetzen. Doch im Zuge der Klimakrise könnten die Temperaturen nicht mehr tief genug sinken. Oder die Tiere passen sich im Lauf der Zeit an.

Wie hart im Nehmen Meerwalnüsse sind, zeigt auch die neue Studie: Zwei verletzte Tiere verschmelzen demnach über Nacht zu einem Wesen – mit gemeinsamem Nervensystem und synchronisierten Muskelkontraktionen. Anders als die meisten anderen Mehrzeller scheint die Meerwalnuss kein System zu haben, das fremdes von eigenem Gewebe unterscheidet (Allorecognition). Eine Abstoßungsreaktion bleibt aus.

Know-how im Rüssel

Miteinander verschmelzen können Elefanten nicht. Aber dafür haben sie ein sprichwörtlich gutes Gedächtnis. Wasserstellen finden sie noch nach Jahrzehnten wieder. Wichtige Artgenossen bleiben ihnen lange vertraut. Aber Menschen? Ob das Elefantengedächtnis auch uns Menschen einschließt, war bislang ein Rätsel. Jetzt haben Zoologïnnen von der Universität Kiel Hinweise gefunden, die dafür sprechen: Zwei Afrikanische Elefanten scheinen sich an den Geruch von Pflegern zu erinnern, denen sie seit 13 Jahren nicht mehr begegnet sind.

Eine Gruppe von acht Elefanten stillt ihren Durst an einer Wasserstelle.
Afrikanische Elefanten können sich auch nach Jahrzehnten an eine Wasserstelle erinnern und finden den Weg zu ihr zurück.

Die Tiere waren vom Berliner Zoo in den Serengeti-Park in Hodenhagen umgezogen. 13 Jahre später widmeten sie T-Shirts, die ihre ehemaligen Pfleger angehabt hatten, überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit. Die Stimmen der Pfleger oder deren Fotos beeindruckten die Elefanten hingegen wenig. Es scheint also der Geruch zu sein, der sich tief ins Gedächtnis der Dickhäuter eingebrannt hat. Das wundert nicht, denn Elefanten haben vermutlich das beste Riechorgan unter allen Säugetieren. Zoologin Christine Böhmer, die die Studie geleitet hat, wertet die Resultate laut einer Pressemitteilung als wichtige Hinweise, denen allerdings weitere Studien folgen müssten, um die Ergebnisse abzusichern.

Derweil entrissen Forschende der Berliner Humboldt Universität den Elefantenrüsseln ein weiteres Geheimnis. Anders als andere Säugetiere stecken sich Elefanten ihre Nahrung wegen des Rüssels seitlich ins Maul. Als Anpassung an dieses ungewöhnliche Verhalten sind die Schnurrhaare – anders als bei anderen Säugetieren – seitlich des Mauls kürzer als darüber oder darunter.

An der Länge der Schnurrhaare lässt sich sogar erkennen, ob es sich um links- oder rechtsrüsselige Dickhäuter handelt. Ähnlich wie Menschen den Löffel lieber in die eine als in die andere Hand nehmen, so haben offenbar auch Elefanten eine bevorzugte Seite, über die sie den Rüssel zum Mund führen.

Tier-Reporter Rainer B. Langen hat sich dem Phänomen der sogenannten Lateralität im Tierreich bereits im vergangenen Jahr mit einem Beitrag genähert und viele weitere Beispiele gefunden.

Verborgene Insektenwelt

In Sachen Anpassungsfähigkeit sticht eine Klasse unter allen Tiergruppen ganz besonders hervor: die Insekten. Der Siegeszug dieser Wesen begann vor mehr als 400 Millionen Jahren. Seither haben die Gliederfüßer, mit sechs Beinen und meistens mit Flügeln ausgestattet, fast jeden Lebensraum der Erde besiedelt.

Ihre Flugkunst übertrifft selbst die der Vögel, und ihre Kraft im Verhältnis zu ihrer Körpergröße ist gigantisch. Einige Arten bilden komplexe Staaten, andere sind Meister der Täuschung oder können sich wie die Bienen über eine eigentümliche Sprache mitteilen.

Die ARTE-Dokumentation „Insekten – Meister der Anpassung“ von Andreas Sawall entführt in eine verborgene Welt mit atemberaubend schönen Bildern. Wer sie noch nicht gesehen hat, sollte dies schleunigst einplanen: Die TV-Ausstrahlung ist am 22. Oktober um 16.55 Uhr. In der ARTE-Mediathek ist der Film noch bis zum 10. Januar 2025 zu sehen.

Viele wilde Fotos

Doch nicht nur Filme, auch gut gemachte Fotos eignen sich besonders, das Faszinosum Tier in gutes Licht zu rücken. Alle Jahre wieder hauen uns zum Beispiel die besten Wildtier- und Naturfotografien des Jahres aus dem Sessel. Sie werden prämiert beim Wettbewerb „Wildlife Photographer of the Year“, entwickelt und produziert vom Natural History Museum, London. In diesem Jahr mussten die Jury-Mitglieder aus fast 60.000 Einsendungen die Siegerïnnen auswählen.

Ein Falke mit ausgebreiteten Schwingen von unten vor dem Himmel fotografiert. Er fixiert mit seinen stechenden Augen einen Schmetterling, der direkt unter ihm fliegt.
Sieger in der Kategorie „Behaviour: Birds“ des Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year“: Ein junger Falke erprobt seine Jagdkünste an einem Schmetterling.
Ein wunderschönes Foto ohne Farben zeigt die Silhouette eines Krähenvogels hinter dem Schleier einer Nebelwolke.
Sieger in der Kategorie „Natural Artistry“ des Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year“: Eine Krähe sitzt im Winternebel auf einem Ast.
Ein Schwarm dunkelblauer Kaulquappen zieht vorbei. Zwischen den Tieren stehen die Stengel von Seerosen senkrecht im Wasser.
Gesamtsieger des Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year“ ist ein Foto wie ein Gemälde: Kaulquappen der Westlichen Erdkröte (Anaxyrus boreas) zwischen Seerosenblättern in einem See auf Vancouver Island, British Columbia, Kanada.

Dabei haben sie einen guten Job gemacht. In der Kategorie „Wetlands“ etwa hat ein geradezu märchenhaftes Bild gewonnen: „The Swarm of Life“ des Kanadiers Shane Gross, der überdies zum Wildlife-Fotografen des Jahres ernannt wurde. Seine Aufnahme, entstanden beim Schnorcheln, zeigt einen Schwarm tintenblauer Kaulquappen, der durch einen kristallklaren Unterwasserwald zieht, als habe er ein unbekanntes Ziel. Umwerfend!

Wer von großartigen Tierfotografien nicht genug bekommen kann, sollte sich Anfang Dezember nach Darmstadt aufmachen. Dort zeigt das Hessische Landesmuseum seine Ausstellung „Wildlife Photographer of the Year“ – mit mehr als 80 Fotos aus dem diesjährigen Wettbewerb. Vom 5. Dezember 2024 bis 30. März 2025.

Vor Hawaii: Weniger Müll, mehr Mönchsrobben

Es bleibt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, die Vielfalt der Tierwelt zu erhalten. Da kommt jede gute Nachricht gelegen, so auch eine neue Studie, die uns aus dem fernen Hawaii erreicht. Ihr Fazit: Müllsammeln hilft! So kurz und knapp lässt sich das Ergebnis der „Science“-Studie zusammenfassen, die Ende September erschienen ist. Die Forschenden wollten wissen, ob es sich lohnt, das Meer rund um die Nordwestlichen Hawaii-Inseln von Plastikabfällen, weggeworfenen Fangleinen und Geisternetzen zu befreien.

Vor den Nordwestlichen Hawaii-Inseln leben die vom Aussterben bedrohten Hawaii-Mönchsrobben mit dem kuriosen Artnamen Neomonachus schauinslandi. Mittlerweile sind die Bestände der Tiere auf rund 1600 geschrumpft. Vor allem die Jungrobben verfangen sich vielfach in Fischernetzen und Leinen, die als Abfall im Meer treiben.

Seit 1996 unternimmt nun die Fischereibehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) erhebliche Anstrengungen, die Gewässer vor den Hawaii-Inseln von diesem Müll zu reinigen. Rund 850 Tonnen Fischfangzubehör wurden seit 1996 eingesammelt. Das mag nach wenig klingen, schließlich befinden sich mittlerweile geschätzt mehr als 100 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren. Aber: Jedes gerettete Tier ist wertvoll.

Seit Beginn der Müllsammelei verstricken sich nun deutlich weniger Robben in Netzen und Leinen, zeigt die Studie, und zwar vor allem in den Meeresgebieten, in denen die Reinigungsaktivitäten besonders hoch sind. Inzwischen wächst die Mönchsrobben-Population ganz langsam wieder, um etwa zwei Prozent jährlich. Und was der Mönchsrobbe hilft, so die Überzeugung der Forschenden, wird auch den anderen Meerestieren zugutekommen.

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