Zoo-logisch: Warum Emus auch dann gehen, wenn sie rennen, und Motten Bohnen zum Hüpfen brauchen
Forschende entreißen der Tierwelt immer wieder kuriose, wichtige und erfreuliche Details: Nun gibt es neue Studien über die Renntechnik von Laufvögeln, die Sprungtechnik von Springbohnenmotten und die Genetik von See-Elefanten. Außerdem: Bark Dating und Berichterstattung zu COP16
Die Artenschutzkonferenz COP16 rückte das Problem der sinkenden Biodiversität und des mangelnden Artenschutzes für kurze Zeit in den Fokus der Weltöffentlichkeit – auch wenn erschreckend wenig darüber berichtet wurde. Dass aber mit jeder ausgestorbenen Tierart auch eine Vielzahl wunderbarer Geheimnisse verschwindet, ist den wenigsten Menschen bewusst. In unserem heutigen Briefing widmen wir uns deshalb einigen Studien, die beispielhaft dafür stehen, wie wenig die Wissenschaft bislang über Tiere weiß und wie faszinierend moderne Zoologie sein kann.
Warum Laufvögel stets geerdet bleiben
Alle zweibeinigen Lebewesen heben für einen winzigen Moment ab, wenn sie sich fortbewegen. Ihre Füße schweben dann kurz in der Luft. Doch ist das wirklich bei allen so? Nein. Laufvögel wie Emus oder Strauße müssen immer mit einem Fuß auf dem Boden bleiben. Das gilt sogar dann, wenn sie rennen, ganz so, als würden sie bei den Olympischen Spielen in der Disziplin des Gehens antreten. Bei Menschen verbraucht dieser Laufstil viel zu viel Energie. Deshalb nutzen wir ihn nicht. Doch bei Vögeln scheint das anders zu sein.
Jetzt fand ein Team von Forschenden um Pasha van Bijlert von der Utrecht University heraus, warum Vögel so anders gehen. Die Biologïnnen simulierten die Anatomie von Emus und führten virtuelle Experimente durch. So gelang ihnen etwas, das in der Realität nicht funktioniert: Sie analysierten die Dynamik der Sehnenelastizität und gleichzeitig die Körperhaltung laufender Emus.
Dabei zeigte sich, dass die Beinmuskeln der Vögel immer dann am effektivsten arbeiten, wenn die Tiere sich in der Hocke befinden. Das hindert sie daran, ihre Beine vollständig durchzustrecken – wie es die meisten anderen zweibeinigen Tiere können. Offenbar ist der sogenannte Bodenlauf für diese Vögel die beste Wahl.
Vermutlich habe das sogar für ihre Urahnen gegolten, die Dinosaurier, schreiben van Bijlert und Co: „Fossile Fußabdrücke von Dinosauriern zeigen eine gleichmäßige Verteilung der Schrittlängen.“ Demnach seien auch Dinosaurier beim Gehen und Rennen stets mit einem Bein auf der Erde geblieben. Eine ausführliche Erklärung der neuen Studie liefert auch dieses Video.
Mottenlarven: ab durch die Mitte – mit der ganzen Hütte
Die Frage, warum Springbohnen springen, wurde zwar schon vor langer Zeit geklärt, offen blieb bislang aber der Grund, warum manche sehr viel weiter hüpfen als andere. Auch hier gibt es jetzt neue Erkenntnisse.
Die Samen der mexikanischen Springbohnen sind beliebte Souvenirs und Spielzeuge – weil sie durch die Gegend hüpfen. Oder – besser ausgedrückt – weil sie zum Hüpfen gebracht werden. In ihrem Inneren leben die Larven der Springbohnenmotte. Bewegen sich die Tiere, bewegen sich auch ihre Wirtssamen. Zwei aktuelle Arbeiten zeigen nun, wovor die Tiere fliehen, was ihre Reaktion einschränkt und warum das in Zeiten der Klimakrise relevant sein könnte.
Die Samenkapseln gelten als „erweiterte Architektur“ der Mottenlarven: eine Struktur, die die Tiere nicht selbst produzieren, aber als Teil ihres Körpers nutzen. Die Kapseln sind eine perfekte Kinderstube, in der es allerdings ungemütlich werden kann. Bei direkter Sonneneinstrahlung beispielsweise wird es gefährlich warm. Die Larven müssen aus der Gefahrenzone heraus und ziehen mit einem Sprung um.
Nach der ersten Studie hängt die Bewegung der Larven stark von den Farben des einfallenden Lichts ab. Obwohl nur wenig Licht die Samenschale durchdringt, können die Larven an dessen Farbe abschätzen, ob es sich um Tageslicht oder eher gedämpftes Licht handelt. Und reagieren entsprechend: Bei Tageslicht sind sie besonders aktiv, sonst aber kaum. Andere Faktoren spielen wohl ebenfalls eine Rolle, aber es ist das Licht, das die Larven offenbar vor Umweltstress warnt.
Sind die Wirtssamen jedoch beschädigt, hüpfen die Tiere nur wenig, unabhängig vom Licht. Fehlt dann die Energie für den Kraftakt, weil sie die Defekte mit Seidenfäden reparieren müssen? Nach der zweiten Studie ist eine andere Erklärung wahrscheinlicher: In defekten Samen können sich die Tiere kaum verankern und damit auch kaum bewegen.
Angesichts der Klimakrise würden solche allgemeinen Erkenntnisse zum Umgang von Insekten mit Hitzestress immer wichtiger, schreiben die Forschenden. Denn das grundlegende Problem ist für alle Tiere mit begrenzter Bewegungsfreiheit gleich.
Auf zum nächsten Bark Date
Begrenzte Bewegungsfreiheit ist auch etwas, worunter manche Hunde im Tierschutz leiden. Eine neue Initiative will jetzt etwas dagegen tun und bietet eine Art Kontaktbörse für Hunde ohne Haltende an.
Was ein Blind Date ist, wissen wir ja. Aber was bitte ist ein Bark Date? Im Prinzip dasselbe, nur eben zwischen Hund und Mensch. Auch hierbei sollen sich passende Matches finden. Stellen Sie sich eine Wiese im Park vor, auf der – wie im März in Leipzig – rund hundert Menschen zwischen 17 Hunden umherschlendern. Die Tiere stammen alle aus dem Tierschutz und sind auf der Suche nach einem Zuhause.
Doch sie sitzen nicht in einem Käfig, bellen nicht verzweifelt gegen die Einsamkeit an, sondern schnüffeln im Gras und an den Hosenbeinen von Menschen. Interessierte Herrchen und Frauchen in spe können sich ihnen zwanglos nähern, sie kennenlernen, streicheln und schauen, ob der Funke überspringt. Wenn nicht, zieht man weiter zum nächsten.
Beim Bark Date selbst wird noch kein Hund adoptiert, sondern nur das Kennenlernen ermöglicht. Hat sich ein Mensch in einen Hund verliebt, übernehmen die Tierschutzorganisationen und Tierheime, die am Treffen teilnehmen, die weitere Vermittlung. Wir halten das für eine großartige Idee, weshalb unser Tier-Reporter Steve Przybilla auch schon angekündigt hat, eines der nächsten Bark Dates aufzusuchen. Freuen Sie sich also bald auf eine spannende Reportage!
Kommende Termine (im November gibt es bereits sechs, unter anderem hier): 2. November in Berlin, Tempelhofer Feld, von 11 bis 13 Uhr. 3. November in Bonn–Bad Godesberg, Rheinaue, ebenfalls von 11 bis 13 Uhr. Keine Anmeldung nötig.
Berichte zur COP16
Am 2. November endete im kolumbianischen Cali die um einen Tag verlängerte Weltnaturschutzkonferenz mit dem Kürzel COP16. Hatten Sie das auf dem Schirm? Wenn nicht, ist das kein Wunder, denn in den Medien kam dieser Biodiversitätsgipfel kaum vor. Es gab ein paar versprengte Berichte und ein paar mahnende Kommentare zum Artensterben – etwa dass die 195 teilnehmenden Nationen (plus die EU als Gesamtheit) diesmal wirklich Taten statt Worte sprechen lassen sollten. Und das war’s dann auch schon.
Deshalb müssen wir uns heute mal wieder selbst empfehlen, denn die RiffReporter haben ein umfangreiches Special zum Biodiversitätsgipfel herausgebracht. In unserem Schwerpunkt berichten wir ausführlich über die Konferenz und die Fragen, die sie diesmal klären muss: Wie etwa lässt sich das Ziel konkret umsetzen, 30 Prozent der Land- und Meeresfläche unter Naturschutz zu stellen? Das hat die Weltgemeinschaft vor zwei Jahren beschlossen. Und wie stark behindern die Kriegsherde der Welt den globalen Artenschutz? Darüber – und auch über die Hoffnungsschimmer, die es gibt – lesen Sie bei uns: auf RiffReporter.de.
Inzucht scheint See-Elefanten nicht geschadet zu haben
Angesichts der sehr durchwachsenen Bilanz von COP16 sind wir glücklich, doch noch eine richtig erfreuliche Nachricht entdeckt zu haben: Ein internationales Team von 15 Forschenden hat sich die Genetik heute lebender nördlicher See-Elefanten genauer angeschaut und erfreuliche Erkenntnisse gewonnen. Obwohl die Tiere zwischenzeitlich fast ausgestorben waren, scheint die zwangsläufig resultierende Inzucht keine gesundheitsschädlichen Folgen gehabt zu haben.
Wegen intensiver Jagd war die Zahl der See-Elefanten zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf unfassbar wenige Exemplare gesunken. Laut den im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“ publizierten Genanalysen dürften damals weniger als 25 See-Elefanten überlebt haben. Bis heute hat sich die Population längst erholt. Derzeit gibt es weltweit etwa 225.000 Vertreter der Robbenart.
Die Studie kombiniert aktuelle genetische Daten mit Angaben zur Gesundheit der Tiere und simuliert daraus vergangene Populationsgrößen sowie genetische Veränderungen. Das brachte spannende Erkenntnisse: Der starke Rückgang der Population des nördlichen See-Elefanten führte damals vermutlich zum Verlust vieler nützlicher, aber auch schädlicher Genvarianten. Beim eng verwandten südlichen See-Elefanten, der weniger stark bedroht war, passierte das nicht.
Der Verdacht lag nahe, dass die zwischenzeitige Inzucht die Gesundheit der gesamten Art beeinträchtigt hat. Doch „zu unserer Überraschung fanden wir keine Anzeichen für Gesundheitsprobleme, die auf Inzucht zurückzuführen sind“, sagt der Leiter der Studie, Joseph Hoffman von der Universität Bielefeld.
Allerdings ist es denkbar, dass sich die See-Elefanten wegen der insgesamt geringeren genetischen Vielfalt und dem Verlust einiger nützlicher Genvarianten in Zukunft schlechter als andere Arten an den Klimawandel und weitere Bedrohungen anpassen können.