Schutz von Wäldern, Meeren, Artenvielfalt: Jetzt geht es für Mensch und Natur ums Ganze
Was der Pariser Vertrag für das Klima, ist das Kunming-Abkommen für die Natur: Gelingt es dem UN-Biodiversitätsgipfel, das Artensterben zu stoppen? Eine Analyse
Mit einjähriger Verspätung gehen knapp 200 Länder ab dem 11. Oktober im chinesischen Kunming beim 15. Weltbiodiversitätsgipfel in den Endspurt ihrer Verhandlungen über die Zukunft von Natur und Artenvielfalt. Wichtigstes Ziel ist es, ein neues Abkommen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde zu verabschieden. Damit soll das größte Artensterben in der Menschheitsgeschichte gestoppt und die Nutzung der Natur auf einen nachhaltigen und gerechten Pfad gebracht werden.
Das Kunming-Abkommen ist im Kampf gegen die weltweite Krise der Natur ebenso bedeutend wie das Klimaschutzabkommen von Paris für den Kampf gegen die Erderwärmung. Die abschließende Verhandlungsrunde und Verabschiedung ist aber erst für den zweiten Teil des Gipfels im Frühjahr geplant. Die dreitägige Eröffnungssitzung könnte aber wichtige Vorentscheidungen darüber bringen, wie ambitioniert die Staaten den Kampf gegen die ökologische Krise des Planeten angehen. Die Augen richten sich vor allem auf Gastgeber China. Insider halten Überraschungen für möglich.
An großen Worten wird es bei der Eröffnungskonferenz für den ersten Teil der Weltbiodiversitätskonferenz in Kunming nicht mangeln. Die chinesische Regierung als Gastgeber, die Vereinten Nationen als Ausrichter und die nur virtuell hinzugeschalteten Vertreter der fast 200 Vertragsstaaten der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) werden es sich nicht nehmen lassen, den dramatischen Zustand der Natur auf unserem Planeten zu beklagen und Besserung in Aussicht zu stellen.
Erfolg hängt maßgeblich vom Gastgeber China ab
Doch ob den Worten Taten folgen werden, ist weiter ungewiss. Denn anders als ursprünglich geplant wird in Kunming nicht in den üblichen kleinen Runden von Regierungsvertretern verhandelt. Trotz der einjährigen Verzögerung erlaubt es die Corona-Lage immer noch nicht, dass sich mehrere Tausend Delegierte und Beobachter in Kunming versammeln. Deshalb steht eine weitere fast ausschließlich virtuelle Konferenz bevor. Dass sie überhaupt stattfindet, dient vor allem der formellen Einsetzung der chinesischen Präsidentschaft im Prozess.
Es ist aber weit mehr als eine Formalie. China übernimmt das Ruder in der entscheidenden Phase. Die Verhandlungen sind wenige Monate vor dem geplanten Abschluss festgefahren. Vor allem um die Finanzierung ehrgeiziger weltweiter Umweltziele wird erbittert gerungen. Die Fronten verlaufen zwischen den armen südlichen Ländern – angeführt von Brasilien, Argentinien und Indonesien – und den reichen westlichen Industriestaaten.
Denn es sind die Staaten im globalen Süden wie Brasilien und Indonesien, die auch heute noch als ökologisch „superdivers“ gelten und auf die sich entsprechend die Bemühungen um den Erhalt von Artenvielfalt konzentrieren müssen, um die Aussterbekrise zu stoppen – Staaten, die aber zugleich wirtschaftlich ungleich schwächer und viel ärmer sind als die Industriestaaten. Einer Analyse des Weltbiodiversitätsrates IPBES zufolge könnte in den nächsten Jahrzehnten jede achte Tier- oder Pflanzenart auf der Erde menschlichem Tun zum Opfer fallen.
Doch während gerade die Länder des reichen Nordens bei den Verhandlungen für hohe Schutzstandards eintreten, zeigen sie sich bislang zurückhaltend, was die Finanzierung derselben im Süden betrifft. Von Fortschritten in der Finanzierungsfrage hängt nach Einschätzung von Nichtregierungsorganisationen aber ab, ob es gelingen wird, den seit einigen Monaten vorliegenden ersten Entwurf für das Rahmenabkommen weiter im Sinne des Naturschutzes anzuschärfen oder auch nur die darin bereits vorgeschlagenen Schritte gegen die ökologische Krise überhaupt zur Unterschriftsreife zu bekommen.
Ein Drittel der Erde soll Naturschutzgebiet werden
Seit dem Sommer liegt ein erster Entwurf für das Abkommen vor. Er sieht unter anderem vor, dass bis 2030 ein Drittel der Erdoberfläche unter wirksamen Schutz gestellt, die Verwendung von Pestiziden weltweit um zwei Drittel verringert und die weitere Belastung der Umwelt mit Plastikmüll ganz gestoppt werden soll.
Der schädliche Nährstoffeintrag in die Natur durch Düngemittel in der Landwirtschaft soll um die Hälfte verringert werden. Insgesamt listet der Vertragsentwurf neben vier übergeordneten „Leitzielen“ (Goals) 21 „Aktionsziele“ und zehn „Meilensteine“ auf, die bis 2030 erreicht werden sollen, um das von den Vereinten Nationen bis zur Jahrhundertmitte ausgegebene Ziel eines „Lebens im Einklang mit der Natur“ auf dem Planeten zu erreichen.
Als Schlüsselziel gilt es, jeweils 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten unter Schutz zu stellen. Hinzu kommt das Bestreben, die noch bestehenden intakten Ökosysteme und Wildnisgebiete zu erhalten, gestörte Ökosysteme zu renaturieren, Fischfang, Jagd, Landwirtschaft und Waldnutzung nachhaltig zu gestalten und die Umweltverschmutzung durch Schadstoffe massiv zu verringern.
Verzweifelte Suche nach Milliardensummen für die Natur
Um diese Vorgaben zu erreichen, sollen die Finanzmittel für den Schutz der biologischen Vielfalt in den dem Entwurf zufolge bis 2030 auf rund 200 Milliarden Dollar jährlich erhöht werden. Das entspricht etwa einer Verdoppelung der bisherigen Mittel. Diese Summen sollen vor allem in die sogenannten superdiversen Regionen der Erde im globalen Süden fließen – allen voran zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes.
Natur- und Umweltschutzverbände sehen besonders die deutsche Bundesregierung in der Pflicht, in der festgefahrenen Lage jetzt Zusagen für eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel für den Biodiversitätsschutz zu machen. Nur klare Signale zu einer massiven Erhöhung der Zahlungen an die Entwicklungsländer könnten deren Blockade aufheben, sind sie sich sicher.
„Die mangelnde Finanzierung wird von den Blockierern bei jedem einzelnen Thema genutzt, um das Ambitionsniveau zu drücken“, hat Florian Titze, beim Umweltverband WWF Deutschland zuständig für die internationale Biodiversitätspolitik, in den Verhandlungen beobachtet. Je länger Finanzzusagen ausblieben, desto stärker werde das Ambitionsniveau bis zur Schlussrunde im Mai sinken, fürchtet er.
Umweltschützer verlangen Milliarden von Bundesregierung
Am Ende müssten die reichen Länder ohnehin Geld auf den Tisch legen – nur bekämen sie dann deutlich weniger Gegenleistung dafür. „Ohne spürbar mehr Geld wird es kein Abkommen geben, das seinen Namen verdient“, ist sich Titze sicher. „Es braucht jetzt ein politisches Signal von einem Regierungschef.“ Von der Bundesregierung fordert er die Aufstockung der Finanzhilfen für die internationale Biodiversitätsförderung auf zwei Milliarden Euro pro Jahr.
„So ein Abkommen scheitert nicht am guten Willen, sondern an der Bereitschaft, es zu finanzieren“, warnt auch Georg Schwede, Repräsentant der Naturschutzinitiative Campaign for Nature.
Seine Organisation fordert von der neuen Bundesregierung sogar, dass sie die internationalen Mittel für Biodiversitätsschutz auf mindestens sechs Milliarden Euro jährlich aufstockt – das wäre eine Verzwölffachung der bisherigen Zusagen von 500 Millionen Euro pro Jahr.
„Die deutsche Wirtschaft zählt weltweit zu den stärksten Verursachern der Naturzerstörung und ist damit einer der Hauptverursacher der Biodiversitätskrise“, argumentiert Schwede. „Wir dürfen uns jetzt nicht daran orientieren, was politisch machbar erscheint, sondern was nötig ist“, sagt er mit Blick auf die unterschiedlichen Forderungen aus dem Lager der Naturschutzorganisationen.
Chancen für Klima und Natur durch Moor- und Waldschutz
Die noch amtierende Bundesregierung hält sich bislang bedeckt, was die Bereitschaft zu neuen Finanzzusagen betrifft. Es ist fraglich, ob sie vor dem Amtsantritt der neuen Regierung überhaupt die Prokura für weiterreichende Zusagen hätte. Es ist letztlich auch eine politische Entscheidung, in welcher Phase der Verhandlungen Geldzusagen gemacht werden. Schließlich sind sie gewöhnlich das entscheidende Druckmittel in langen allerletzten Verhandlungsnächten, um wirklich heikle Knackpunkte aufzubrechen.
Viele Staaten stehen auf der Bremse
Vielen Naturschutzorganisationen sehen es als das wichtigste neue Ziel an, künftig 30 Prozent der Erde unter „wirksamen Schutz“ zu stellen. Wenn das gelingt, könnten Studien zufolge das Aussterberisiko für 90 Prozent aller Arten reduziert werden. Klar ist aber auch, dass es ohne die Einbeziehung der indigenen und lokalen Gemeinschaften nicht möglich sein wird, die Biodiversitätsziele zu erreichen. Eine kürzlich Veröffentlichte Studie des Umweltverbandes WWF unterstreicht ihre herausragende Rolle beim Schutz der biologischen Vielfalt. Danach sind 91 Prozent der von Indigenen bewirtschafteten Gebiete in einem guten ökologischen Zustand.
Das „30×30“-Ziel wird auch von einer Staatengruppe unterstützt, die sich als „Koalition der Ambitionierten“ zusammengefunden hat und weitreichende Festlegungen für einen besseren Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde anstrebt. Deutschland und die Europäische Union gehören dazu, die EU hat das Ziel auch in ihrer eigenen Biodiversitätsstrategie verankert und zuletzt schloss sich der Club der sieben führenden Industrienationen (G7) an. 30×30 hat also gute Chancen, es als eine zentrale Säule in das neue Rahmenabkommen zu schaffen.
„Die Frage ist wohl nicht, ob 30×30 kommt, sondern wie es kommt“, glaubt auch Schwede, dessen Organisation besonders für dieses Ziel wirbt.
Ob es aber Wirkung entfalten kann, hängt vom „Kleingedruckten“ im Vertrag ab: Wie definiert sich wirksamer Schutz? Welches Ausmaß an Nutzung kann damit vereinbart werden? Wie wird die Wirksamkeit des Schutzes gemessen und wie werden die Schritte zu seiner Erreichung kontrolliert?
Viele Staaten stehen auf der Bremse, wenn es um solche harten Festlegungen geht. Oder sie zeigen sich „kreativ“ wie das Vorhaben der französischen Regierung zeigt, bei sich selbst auch die effektiv kaum gegen Eingriffe geschützten regionale Naturparks auf das 30×30-Flächenziel anzurechnen.
Abkommen wie Pariser Klimavertrag "in weiter Ferne"
Auch innerhalb der Bundesregierung macht man sich Sorgen um die bislang schwachen Umsetzungsmechanismen. „Wir brauchen anspruchsvolle, messbare Ziele und Vorgaben, die einen effektiven Schutz gewährleisten, damit die Biodiversität dort wirklich erhalten bleiben kann“, fordert ein führender Verhandler mit Blick auf den Vertragsentwurf.
„Bei der Zielformulierung sind wir auf guten, bei der Umsetzung gerade auf halben Weg“, lautet die Einschätzung eines anderen Mitglieds der deutschen Verhandlungsdelegation. „Wir wollen keine Schutzgebiete, die nur auf dem Papier stehen.“
Noch kritischer sieht Florian Titze, beim Umweltverband WWF Deutschland zuständig für die internationale Biodiversitätspolitik, die bisherigen Vorschläge für die Umsetzung der einzelnen Ziele. „Das ist vor allem heiße Luft“, kritisiert er. „Es fehlt völlig an Transparenz, Verbindlichkeit und Mechanismen wie periodischen Überpüfungen und Nachschärfungen bei Nichteinhaltung“, kritisiert Titze. Ein vielerorts gefordertes Abkommen nach dem Vorbild des Pariser Klimaabkommens sieht er in weiter Ferne.
Das gilt auch für die wohl wichtigste Frage – die nach der künftigen Finanzierung des weltweiten Naturschutzes. Im Klimabereich haben sich die westlichen Staaten verpflichtet, den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden Dollar für Vermeidungs- Reduzierungs- und Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen und den Betrag nach 2025 aufzustocken.
Kein Fundraising wie beim Klima
Zwar wird diese Summe bisher nicht erreicht, die OECD ermittelte gerade, dass die Industriestaaten bis 2019 rund 80 Milliarden Dollar an jährlicher Klimafinanzierung für Entwicklungsländer mobilisiert haben. Immerhin werden aber große Anstrengungen unternommen, die Finanzlücke zu schließen.
Der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth klappert gerade gemeinsam mit dem kanadischen Umweltminister Jonathan Wilkinson die Staatengemeinschaft im Auftrag des designierten Präsidenten der Weltklimakonferenz, Alok Sharma, ab um Geld einzusammeln. Ein Versuch von Umweltverbänden, Flasbarth zusätzlich zu seinem Fundraising für das Klima auch als Geldeintreiber für Biodiversität zu gewinnen, verlief im Sand.
Vor Beginn der Kunming-Konferenz verweist man in der Regierung darauf, dass Deutschland mit derzeit rund 800 Millionen Euro pro Jahr zu den größten Geldgebern des internationalen Biodiversitätsschutzes zählt – und seine 500-Millionen-Verpflichtung übererfülle. Das werde auch international anerkannt.
Auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte Erhöhung des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf jährlich sechs Milliarden Euro komme teilweise dem Naturschutz zugute, weil damit auch sogenannte naturbasierte Lösungen finanziert werden sollen, also Maßnahmen wie Moor- oder Waldschutz, die gleichzeitig Kohlenstoff binden und Lebensräume sichern.
Wie sehr, bleibt aber offen. Anders als Frankreich und Großbritannien, die fest zugesagt haben, dass 30 Prozent ihrer Klimafinanzierung in den Schutz und die Restaurierung von Naturräumen fließen werden, bleibt der Anteil hierzulande vage.
Subventionen abbauen, um Naturschutz zu finanzieren?
Klare Zusagen hatte dagegen kürzlich eine Gruppe Superreicher gemacht. Bei einer wichtigen Fundraising-Veranstaltung für den globalen Naturschutz am Rand der UN-Generalversammlung vermeldeten die Organisatoren eine Rekordspende von fünf Milliarden US-Dollar für den Schutz der Biologischen Vielfalt. Die Gelder sollen eine Koalition von Philanthropen – unter anderem die Wyss Stiftung, der Bezos Earth Fund, die Rob und Melani Walton Foundation und Bloomberg Philanthropies – bis 2030 für den Schutz der Natur bereitgestellt werden. Dies sei die bisher weltweit größte Summe aus privater Hand.
Doch angesichts der Riesenlücke, die zwischen Finanzbedarf und dem vorhandenen Geld klafft, ist selbst die Rekorspende nur ein kleiner Beitrag. Der jährliche Finanzbedarf für einen wirksamen weltweiten Naturschutz, der das Artensterben stoppt und die Nutzung der natürlichen Ressourcen nachhaltig gestalten würde, wird auf 700 Milliarden Dollar geschätzt.
Dem steht eine bisherige Finanzierung von weniger als 140 Milliarden gegenüber. Nach den Vorstellungen des CBD-Entwurfs soll ein großer Teil der Lücke durch den Abbau naturschädlicher Subventionen, beispielsweise in der Landwirtschaft, gedeckt werden. Im jetzt vorgelegten Entwurf für das Rahmenabkommen werden auf Basis einer OECD-Schätzung Einsparungen bis 2030 um 500 Milliarden Dollar pro Jahr als Ziel genannt. Diese Summe zu erreichen, gilt jedoch als illusorisch.
Auch die Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der EU haben gerade gezeigt, wie schwierig es ist, die oft lobbygetriebenen Subventionen abzubauen. „ Subventionsabbau ist eine Maßnahme, um den Druck auf die Biodiversität zu reduzieren, aber es ist kein Finanzierungsinstrument“, sagt WWF-Experte Titze.
Startet China mit einem Paukenschlag?
In dieser festgefahrenen Situation übernimmt ab Montag die chinesische Regierung. Bislang hat sich die chinesische Führung nicht in die Karten blicken lassen, wie sie ihre führende Rolle ausüben will. Deutsche Verhandlungskreise zeigten sich ernüchtert bis enttäuscht über die bisherige Passivität Pekings bei den Gesprächen.
Das könnte sich nun ändern und einige Experten haben sogar die Erwartung, dass die chinesischen Gastgeber ihre neue Rolle mit einem Paukenschlag einläuten könnten, der Bewegung in einige der umstrittensten Punkte bringen könnte – allen voran in die Finanzfrage. Aus einer europäischen Regierung ist zu hören, China werde am Montag möglicherweise einen gut ausgestatteten eigenen Geldfonds zum Biodiversitätsschutz ankündigen.
Dimitri de Boer, der Leiter des China-Büros der Umweltschutzorganisation Client Earth und einer der am besten vernetzten Kenner der chinesischen Umweltpolitik, hält eine spektakuläre Ankündigung für möglich. Für das Land sei es an der Zeit, auf der Weltbühne „zu glänzen“ und der globalen Biodiversitäts-Arena den so dringend benötigten Schwung zu verleihen, glaubt er.
Hoffnung auf chinesische Führungsrolle
Im Gespräch mit „Countdown Natur“ zeigt de Boer sich überzeugt, dass die Führung in Peking Umweltschutz und der Bewahrung der biologischen Vielfalt heute eine sehr hohe Priorität beimisst. Er verweist auf die von der Staatsspitze ausgegebene Vision einer ökologischen Zivilisation und eines „beautiful China“ bis 2035 sowie auf die entschiedene Bekämpfung der Luft- und Wasserverschmutzung bereits seit einigen Jahren.
Mit dem harten Durchgreifen beispielsweise gegen den Handel mit Wildtieren, der Verhängung eines zehnjährigen Fischereiverbots im Jangste-Becken und der Ankündigung, bis 2060 kohlenstoffneutral zu werden, habe die Führung gezeigt, dass sie das Thema ernst nehme und zu großen Schritten bereit sei, sagt de Boer.
In einem Beitrag für den angesehenen chinesischen Rat für Zusammenarbeit für Umwelt und Entwicklung äußert de Boer die Erwartung, dass China sich auch hinter das 30×30 Ziel stellen könnte, zumindest mit Blick auf die Landfläche.
De Boer hält es sogar für möglich, dass Peking sich mit einer ehrgeizigen finanziellen Zusage für den Biodiversitätsschutz vom Rand in das Zentrum der CBD-Verhandlungen katapultieren könnte. In diesem Fall würde Peking die Führungsrolle innerhalb der Staatengemeinschaft übernehmen, die viele von der Europäischen Union und nicht zuletzt von Deutschland erwartet haben.
"Es lohnt sich, die Konferenz zu verfolgen"
Ob es soweit kommt, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Die Abschlusserklärung für den ersten Teil des Gipfels, deren Entwurf Countdown Natur vorliegt, zeigt jedenfalls Licht und Schatten.
Entgegen erster Entwürfe wird unter dem Titel “Auf dem Weg zu einer ökologischen Zivilisation: Aufbau einer gemeinsamen Zukunft für alles Leben auf der Erde“ das Engagement vieler Staaten für das 30×30-Ziel ausdrücklich erwähnt, wenn auch nicht explizit als eigenes Ziel übernommen. Die Biodiversitätskrise wird als eine der wichtigsten Herausforderungen dieses Jahrzehnts anerkannt und die Minister der mehr als 200 Vertragsstaaten versichern „die Entwicklung, Annahme und Umsetzung eines wirksamen globalen Rahmens für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 zu gewährleisten“.
Diese Formulierung lässt Verhandlungsexperten indes aufhorchen: unter den Staaten, die weitreichende Naturschutz anstreben lautet die Formel dafür, dass sie ein „ambitioniertes“ Abkommen anstreben – kein lediglich „wirksames“. „Es lohnt sich, die Konferenz zu verfolgen“, verspricht Insider de Boer.
Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.